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Wir sind alle Islaender

Titel: Wir sind alle Islaender
Autoren: Halldór Gudmundsson
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einhundertneunundsechzig Milliarden Kronen, die sie im Sommer 2008 laut Morgunbladid der Bank schuldig waren. Auch Reykjavík expandierte im Eiltempo, man errichtete neue Stadtviertel, stampfte Einkaufszentren aus dem Boden, stellte Hochhäuser mit Luxuswohnungen an den Strand. Überall die Zeichen des Reichtums: Villen-ähnliche Sommerhäuser wurden flächendeckend an den schönsten Stellen Islands gebaut, man kaufte den Bauern dafür alle Grundstücke ab, die überhaupt zum Verkauf standen, lud seine Geschäftspartner zum luxuriösen Lachsfischen ein – und flog mit seinem Hubschrauber nach Flatey.
    Wieder machte man die westliche Entwicklung im zehnfachen Tempo durch. Das einst ärmlichste Land Europas schwamm in Geld.

Gott segne Island
    Freund, sagte der Zweite vornehme Herr und
umarmte den Dichter. Die Bank ist geschlossen.
Die Engländer haben die Bank geschlossen. Na,
so etwas, sagte der Dichter. Und wie kommt es,
dass die Engländer die Bank geschlossen haben,
sagte der Zweite vornehme Herr. Das kommt daher,
daß kein Geld mehr in der Bank ist. Juel hat die
Bank ausgeplündert. Juel hat das ganze Geld verjubelt,
das die Engländer in ihrer Herzensgüte die-
ser unglücklichen Nation geliehen haben. Juel
hat das ganze Geld der Engländer auf dem offenen
Meer versenkt. Deshalb wurde die Bank
geschlossen.
    Halldór Laxness: Weltlicht , 1940

    Die internationale Finanzkrise begann im Frühjahr 2007 infolge der Immobilienkrise in den Vereinigten Staaten. Schon ein Jahr zuvor begannen die Immobilienpreise nach einer langen Periode der steten Steigerung zu fallen. Kreditnehmer kamen in wachsende Schwierigkeiten und konnten mit den zunehmenden Zinsen nicht mithalten – manche behaupten, diese seien lange zu niedrig gewesen; die Blase der so genannten Subprime-Kredite platzte, was wohl inzwischen eher als Auslöser und nicht als Ursache der Krise gesehen wird. Die riesige Verschuldung in der westlichen Welt, mit immer neuen Arten von Kreditpapieren und Kreditfirmen, begann sich zu rächen, bis große Kreditausfälle im Jahr 2007 den Anfang der globalen Bankenkrise markierten. Plötzlich wimmelte es nicht mehr von Niedrig-Zins-Angeboten, und auch für Banken wurde es schwieriger, sich zu finanzieren. Das bekamen auch die drei isländischen Banken zu spüren, die an den Investitionsabenteuern im Ausland begierig teilgenommen hatten.
    Mittlerweile war der isländische Finanzsektor von einer solchen volkswirtschaftlichen Größe, dass er es sich leisten konnte, selbst über die Fischerei herablassend zu sprechen. Angeblich brachte die Verwaltung von Geld den Isländern mehr Reichtum ein als die meisten herkömmlichen Wirtschaftszweige. Schon im Jahr 2004 stand der Finanzsektor für neun Prozent des Bruttoinlandprodukts, und er wuchs stetig: 2007
zahlten Kredit- und Versicherungsfirmen dreiundvierzig Prozent der Einkommensteuer aller isländischen Betriebe.
    Die isländischen Banken lebten von der Expansion, und deswegen suchten sie schon vor der Krise nach Wegen, ihre Beteiligungen auszubauen und sich in anderen Ländern breit zu machen. Im Oktober 2006 präsentierte Landsbanki in Großbritannien die so genannten Icesave-Konten, die in der englischen Öffentlichkeit schon bald als Traumangebot für Sparer und Kleinanleger galten. Man versprach den Anlegern hohe Zinsen auf Internetkonten, wodurch die Verwaltungskosten niedrig gehalten wurden, und so konnten alle am isländischen Finanzabenteuer teilhaben. Icesave versprach ein Riesenerfolg zu werden: Im Mai 2007 hatten achtzigtausend Kunden drei Milliarden Pfund auf diesen Konten liegen. Als es schwieriger wurde, von anderen Banken Kredite zu bekommen, schritt man einfach weiter auf dem neuen Weg des Online-Banking. So führte Landsbanki im Mai 2008 die Icesave-Konten auch in den Niederlanden ein. Da war die Anzahl der Konten in Großbritannien bereits auf zweihundertzwanzigtausend gestiegen. Bankdirektor Sigurjon Arnason freute sich öffentlich über diese ungemein einfache Weise, Geld in die Kassen zu bekommen: In neun Monaten habe man in England so viele Ersparnisse auf die Icesave-Konten gebracht wie in den letzten einhundertzwanzig Jahren auf Island. Auch die Holländer hießen Landsbankinn willkommen; beim Sturz der Banken lagen schließlich eintausendsechshundert Millionen Euro auf den dortigen Icesave-Konten. Noch kurz vor dem Zusammenbruch plante man die Einführung von Icesave in elf weiteren Ländern.
    Kaupthing wollte Landsbankinn nicht
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