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Wir sind alle Islaender

Titel: Wir sind alle Islaender
Autoren: Halldór Gudmundsson
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nachstehen und folgte
mit den so genannten Kaupthing-Edge-Konten in mehreren Ländern, unter anderem Deutschland, wo man das Ganze stolz als »ertragsstarkes Online-Banking« präsentierte: Drei ßigtausend Sparer hatten Geld auf diesen Konten liegen, als die Bank fiel. Sowohl die Icesave- wie auch die Edge-Konten liefen direkt über die isländischen Banken, waren also nicht eigentliche Filialen in den Ländern, wo sie angeboten wurden. Das bedeutete nach europäischen Regeln und Wirtschaftsverträgen, dass der isländische Einlagensicherungsfonds die Anlage jedes Kunden bis zu einer Höhe von 20 887 Euro sichern sollte – ein Grund mit dafür, dass die Isländer nun von unheimlichen Schulden heimgesucht werden.
    Der Autor dieser Seiten ist bei weitem kein Sachverständiger auf diesem Gebiet. Aber auch wenn man als Laie die Entwicklung des isländischen Finanzwesens betrachtet, hat sie etwas auf tragische Weise Folgerichtiges. Man sieht den unglaublich schnellen Aufbau – nicht zu vergessen, dass mehrere tausend junge, gut ausgebildete Isländer in diesem Sektor Arbeit fanden. Man sieht die Raffgier und die Hybris. Man sieht, wie die Herren der Banken monatelang die Köpfe in den Sand steckten, bis das Ende unausweichlich geworden war. Und das scheint auch bei den öffentlichen Kontrollinstanzen, der Zentralbank und der staatlichen Finanzaufsicht und bei den verantwortlichen Politikern das Problem gewesen zu sein: Man wusste von der Gefahr, man ahnte das Ende, aber man unternahm nichts!
    Anfang 2008 tagten Repräsentanten der isländischen Zentralbank mit ausländischen Banken und Rating-Firmen in London. Das Treffen war ein Schock für die Isländer. Die ausländische Fachwelt meinte, die isländischen Banken – im
Besonderen Glitnir und Kaupthing – hätten das Finanzsystem des Landes in einen Engpass manövriert. Das Wachstum der isländischen Banken sei nachgerade gefährlich, denn der Zugang zu Krediten auf den internationalen Finanzmärkten sei inzwischen schwieriger geworden, und die Banken würden bald gegen eine Wand rennen. In der Zentralbank formulierte man daraufhin ein Memorandum, das man dem Premierminister und der Außenministerin – den zwei Parteiführern der Koalition also – vorlegte. Kurz darauf fand ein Treffen der wichtigsten Minister und der führenden isländischen Bankleute statt. Die Banken versuchten die Regierung davon zu überzeugen, dass bei ihnen alles in Ordnung wäre und die Gefahr eher von außen käme. Auch scheinen sie den Politikern eingeredet zu haben, das Ganze wäre nur eine Art Image-Problem, man wüsste im Ausland nicht, wie stark die Finanzgrundlage der Banken sei. In den nächsten Monaten war immer wieder von »Angriffen aus dem Ausland« auf die isländischen Banken die Rede.
    Im März reisten die Politiker ins Ausland – die Außenministerin (Ingibjörg Solrun Gisladottir) nach Kopenhagen und der Premierminister (Geir Haarde) in Begleitung isländischer Bankleute und Firmenchefs nach New York. Beide erklärten auf Pressekonferenzen und in zahlreichen Interviews die Banken für gesund und solide. »Alles deutet darauf hin, dass die isländischen Banken in guter Verfassung sind, und ich bin überzeugt, dass sie das jetzige Unwetter auf den internationalen Finanzmärkten überstehen werden«, sagte Geir Haarde in einer Rede in New York am 13. März 2008.
    David Oddsson, bis Februar 2009 Zentralbankchef, legt im Nachhinein viel Wert darauf, dass er die Regierenden monatelang gewarnt hätte. Aber öffentlich sprach er den Banken
sein Vertrauen aus, so zum Beispiel in einem Interview im britischen Channel 4 am 3. März 2008. Nun ist klar, dass ein Zentralbankchef öffentlich nicht immer alles sagen wird, was er weiß. Aber auch in einem ausführlichen Bericht zur Situation des Finanzwesens im Mai 2008 attestierte die Zentralbank den isländischen Privatbanken eine ausreichende Eigenfinanzierung und Stärke. Und weder die Zentralbank noch die Finanzaufsicht setzten den Banken Grenzen, was zum Beispiel die Icesave- und Edge-Konten anging.
    Es kam, wie es kommen musste. Als die Krise nicht mehr schönzureden war, artete das Ganze in eine Art Schlammschlacht, ja fast Schmierenkomödie aus. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen nach dem Fall der Banken erreichten ihren Höhepunkt, als David Oddsson behauptete, er hätte im Juni 2008 seinen Parteifreund Geir Haarde angerufen, um ihm mitzuteilen, das isländische Bankensystem stünde kurz vor dem Zusammenbruch. An dieses
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