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Wir sind alle Islaender

Titel: Wir sind alle Islaender
Autoren: Halldór Gudmundsson
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eingeführt (in anderer Form gab es das schon seit 1984). Ursprünglich nicht zuletzt dazu gedacht, die Fischgründe im Meer rund um Island zu schützen und eine vernünftige Fischereipolitik zu betreiben, war die Verteilung der Quoten immer sehr umstritten. Sie wurde als nicht gerecht betrachtet: Sie bevorzuge die Wohlhabenden, führe zur Bildung weniger, großer Fischereibetriebe und gebe Neugründungen keine Chance. Inzwischen meinen manche, wie etwa der Ökonom Thorvaldur Gylfason, dass sich die Kluft zwischen Moral und Wirtschaft, in die wir jetzt alle gefallen sind, zuerst mit dem Quotensystem aufgetan hat. Als die Isländer zum ersten Mal Fisch verkaufen konnten, den sie noch nicht gefangen hatten. Aber am Anfang sahen es die wenigsten so.
    Bis 1992 unterlagen alle Währungsgeschäfte strengen staatlichen Kontrollen. Wenn zum Beispiel ein Isländer für eine Auslandsreise harte Währung benötigte, musste er sein Flugticket vorzeigen. Anfang der neunziger Jahre entschloss sich
Island dann, dem Europäischen Wirtschaftsraum beizutreten, der ab 1994 die EFTA-Länder – jetzt nur noch Island, Norwegen und Liechtenstein, da die Schweiz ein anderes Abkommen hat – mit der EU verband. In streng wirtschaftlicher Hinsicht kam das fast einem EU-Beitritt gleich, und damit tat auch Island große Schritte in Richtung einer westeuropäischen Marktwirtschaft. Die späten neunziger Jahre waren von einem steten Wirtschaftswachstum geprägt, die Krone wurde stärker, die Inflation schwand, die isländische Gesellschaft verlor ihre letzten, wenn man so will, »osteuropäischen« Eigenschaften. Es war eine Zeit des Optimismus und der Expansion, und dem konnte auch das Platzen der Internetblase um die Jahrtausendwende nicht Einhalt gebieten. Nach der Wahl 1999 schien für David Oddsson alles machbar, und nun galt es zu privatisieren: die Banken, die Post, die staatliche Telefongesellschaft und am liebsten auch Teile des Schul- und Gesundheitssystems. Jeder, der abwarten oder auch nur nachdenken wollte, erschien wie ein Spielverderber. Tempo war gefragt, und die Parteien wetteiferten darum, wer marktfreundlicher war als der andere.
    In diesen Jahren hingen die Isländer auch einem anderen Traum nach, den der Autor Andri Snaer Magnason in seinem Buch »Traumland« beschrieben hat. Man wollte die natürliche isländische Energie, in Wasserkraftwerken und geothermischen Kraftwerken gebündelt, an die ausländische Großindustrie verkaufen, und damit neue Investoren ins Land holen. Island sollte eine der wichtigsten Bastionen der Aluminiumindustrie in der westlichen Welt werden. Im Jahr 2002 beschloss Althingi, das Parlament, mit großer Mehrheit den Bau eines Wasserkraftwerks bei den Karahnjukar-Bergen im Osten des Landes. Ein Riesendamm sollte dem Kraftwerk eine
Kapazität von 690 Megawatt sichern. Diese Elektrizität wurde dann an den amerikanischen Aluminiumriesen Alcoa verkauft, der an dem nahe gelegenen Reydarfjord eine Fabrik errichtete, die im Jahr knapp dreihunderttausend Tonnen Aluminium produzieren kann. All das ist in den letzten sechs Jahren geschehen; in diesen Jahren floss eine Unmenge Geld ins Land, und man betrachtete die Naturschützer und Skeptiker wieder mal als Spielverderber. Mit dem abrupten Sturz des Aluminiumpreises in der jetzigen Krise scheint auch dieser Traum fürs Erste ausgeträumt.
    Im Jahr 2002 sollten auch die letzten Schritte zur endgültigen Privatisierung der Banken getan werden. Es ging um die zwei großen Staatsbanken, Landsbankinn und Bunadarbankinn. Die erste gab es schon seit 1886, und von 1927 bis 1961 fungierte sie sogar als Notenbank. Bunadarbankinn, die Bank der Landwirtschaft, wurde 1930 gegründet und galt als eine sehr stabile Bank. Erste Schritte in Richtung privater Eigentumsverhältnisse waren schon 1998 unternommen worden, als beide Banken zu Aktiengesellschaften umgebildet wurden, obwohl der Staat weiterhin Haupteigentümer blieb. Jetzt sollte der kontrollierende Staatsanteil verkauft werden, und ein Privatisierungskomitee bereitete den Verkauf vor. Genauer gesagt waren es zwei Komitees. Das eine setzte sich aus Beamten und Fachleuten zusammen, die jedoch von der Politik nominiert waren. Das andere bestand aus vier Ministern der Regierung, und dort wurden alle endgültigen Entscheidungen getroffen: dies waren von der Unabhängigkeitspartei die Minister David Oddsson und Geir Haarde sowie Valgerdur Sverrisdottir und Halldór Asgrimsson von der Progressiven Partei.
    In den
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