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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben
Autoren: K Hartmann
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Golftasche hineinpasste. Mit dem iPhone identifiziert sich die Gruppe der sogenannten »kulturell Kreativen«; 13 Blackberrys sind die Attribute der Wirtschaftsbosse und Börsenmakler. Beziehungsweise: waren. Ausgerechnet mit Blackberrys ver abredeten sich die Jugendlichen in England zu ihren Plünderungen. Ein Bild von symbolischer Strahlkraft: Die Nutzlosen bedienen sich der Technik der scheinbar Unent behrlichen, um sich mit Gewalt das zu holen, von dem sie glauben, dass es ihnen zusteht. Genauso, das nahm zumindest das Feuilleton schnell wahr, wie sich die Wirtschaftsmächtigen auf legale Weise rücksichtslos an unserem Geld bedienen, bedienten sie sich bei Konsumgütern wie Flachbildfernsehern und Markenturnschuhen, den Insignien der Konsumgesell schaft. Dass Premierminister Cameron nicht nur damit drohte, Randalieren die Sozialbezüge zu kürzen und sie aus den Sozialwohnungen zu schmeißen, sondern außerdem erwog, sie von sozialen Medien und dem Blackberry-Dienst auszuschließen, ist dann nur logisch. 14
    »Die Armen werden in eine Lage hineingedrängt, in der sie entweder das wenige, was ihnen an Geld und Ressourcen zur Verfügung steht, für sinnlose Konsumobjekte statt für das Lebensnotwendige ausgeben müssen, um so die totale gesellschaftliche Erniedrigung abzuwenden, oder sie müssen damit rechnen, gehänselt oder ausgelacht zu werden«, beschreibt Nanda Shrestra die verzweifelten Versuche der Zugehörigkeit Bedürftiger in der globalen Konsumgesellschaft. 15
    In reichen Ländern wie Deutschland werden sie genau dafür verachtet. Die Strategie der Bedürftigen, Würde zu bewahren, indem sie wenigstens anständige Kleider tragen, wenn sie für weggeworfenes Essen anstehen – selbst die wird ihnen noch zum Vorwurf gemacht. Müssen in Deutschland die Bedürftigen erst aufgeblähte Hungerbäuche haben, bevor man ihnen glaubt, dass sie mittellos sind? Müssen ihnen erst die Lumpen vom Leib hängen, damit sie unser Mitgefühl bekommen? Oder haben wir ein falsches Bild von Armut?
    Das Missverständnis der »relativen Armut«
    »Unser Armutsbild ist durch die Massenmedien von absoluter Not und dem Elend in Entwicklungsländern geprägt«, schreibt der Armutsforscher Christoph Butterwegge in seinem Buch Armut in einem reichen Land. Wie das Problem verharmlost und verdrängt wird . »Man glaubt irrtümlich, Armut in Kamenz, Karlsruhe oder Kassel sei weniger problematisch als solche in Kalkutta, Kapstadt oder Karatschi, so dass es sich nicht lohne, darüber zu sprechen.« 16 Mit anderen Worten: Man hält sie hierzulande für weniger schlimm. Eben »weil sich Armut hier weniger spektakulär manifestiert«, so Butterwegge. 17
    Tatsächlich ist der Begriff Armut nicht klar definiert. »Armut ist ein mehrdeutiger, missverständlicher sowie moralisch und emotional aufgeladener Terminus.« Es gibt nicht »die Armut«. Armut hängt von den gesellschaftlichen Bedingungen ab, unter denen sie herrscht. 18 Sie ist in Zahlen nur bedingt fassbar.
    Von »absoluter Armut« spricht man, wenn den Menschen überlebensnotwendige Güter wie Essen, Kleidung, ein Dach über dem Kopf und medizinische Versorgung fehlen. Laut Weltbank ist absolut arm, wer weniger als 1,25 Dollar am Tag zur Verfügung hat; 19 1,2 Milliarden Menschen weltweit leben in absoluter Armut. Laut WHO und OECD ist relativ arm, wer monatlich weniger als die Hälfte des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung des Landes, in dem man lebt, zur Verfügung hat.In Deutschland betrug das vom Statistischen Bundesamt 2009 errechnete monatliche Nettoäquivalenzeinkommen 20 1549 Euro pro Person. Laut EU -Definition gilt als armutsgefährdet, wer von nur 60 Prozent dessen leben muss, relativ arm ist man bei 40 Prozent, also wenn man nur noch 619, 53 Euro im Monat zur Verfügung hat. Waren Anfang der 90er Jahre 11,3 Prozent der Deutschen arm, sind es heute bereits 14,5 Prozent. Schätzungsweise zwischen 200 000 und 800 000 Menschen in Deutschland sind sogar von absoluter Armut be troffen. 21 11,5 Millionen Menschen in Deutschland – also jeder siebte Bürger – leben nahe oder unterhalb der Armutsgrenze. 22 Die meisten Armen in Deutschland sind arbeitslos: mehr als die Hälfte, 6,7 Millionen Menschen, bezieht Hartz IV.
    Relative Armut – das klingt harmlos. Als wären die deutschen Armen gar nicht wirklich arm, sondern nur weniger wohlhabend. Jedenfalls im Vergleich zu den Menschen, die in anderen Teilen der Welt auf der Straße verhungern. Nach dem Motto: Okay, ein
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