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Wir kommen von der Presse

Wir kommen von der Presse

Titel: Wir kommen von der Presse
Autoren: Walter Gronemann
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drohend. »Du bist aber reichlich vorlaut.«
    »Finden Sie?« erwiderte Klaus. »Ach, wissen Sie, das bringt mein Beruf so mit sich.«
    Der Mann stutzte. »Dein Beruf? Was soll das heißen?«
    »Wir sind Reporter. Sieht man das denn nicht?« Klaus zeigte auf seinen Fotoapparat und auf Utes Recorder. Da schrillte das Telefon. Bevor der Pförtner den Hörer abnahm, schob er Ute und Klaus schnell durch eine offenstehende Tür in ein dämmriges Hinterzimmer. »Wartet hier solange«, befahl er.
    »Du, Klaus«, flüsterte Ute. »Erzähl bloß nicht wieder, wir kämen von den Londoner Abendnachrichten. Der kann bestimmt keinen Spaß vertragen.«
    Klaus nickte nur. Er hatte sich ohnehin schon Gedanken gemacht, wie sie von hier unauffällig wieder verschwinden könnten. Auch wenn er sich sehr selbstbewußt gegeben hatte.
    Der Pförtner legte den Hörer auf und holte die beiden aus ihrem »Warteraum«. »Ihr zwei seid also Reporter«, stellte er fest. »Vermutlich von einer Schülerzeitung, stimmt’s?«
    »Ja, so ungefähr«, antwortete Klaus zögernd.
    »Was heißt ,ungefähr’? Seid ihr vielleicht von diesem ,Knallbonbon’? Die Zeitung kenn’ ich nämlich von meinem Enkel her.«
    Ute und Klaus hielten die Luft an. Ausgerechnet das »Knallbonbon« kannte er! Das konnte ja heiter werden! »Keine Spur! Vom ,Knallbonbon’ sind wir nicht!« rief Ute hastig. »Wir... wir sind vom ,Zwiebelblatt’!« entfuhr es ihr dann.
    »,Zwiebelblatt’? Nee, also davon hab’ ich noch nie gehört«, sagte der Pförtner. »Ulkiger Name, haha. Aber ist ja egal. Kommen wir auf euer Anliegen zurück. Ihr wißt sicherlich nicht, daß wir ein Dutzend Fabrikhallen haben. Die können wir natürlich nicht alle nach euren Türken absuchen. Außerdem sind bei uns Hunderte von Türken beschäftigt. Und garantiert werkelt kein einziger von ihnen gemütlich zusammen mit seiner Frau in einer Halle herum.« Im übrigen könne er nicht begreifen, warum Ute und Klaus ausgerechnet Türken besuchen wollten, von denen sie nicht einmal die Namen wußten. »Weil wir eben ausländerfreundlich sind«, sagte Klaus forsch. »Außerdem haben die bestimmt unheimlich komplizierte Namen, die hätten wir uns ohnehin nicht gemerkt.«
    Das schien der Pförtner einigermaßen einzusehen, denn er entgegnete zunächst nichts. Schließlich sagte er: »Ich mach’ euch einen Vorschlag. In ein paar Minuten ist Feierabend. Dann kommen alle Arbeiter aus den Fabrikhallen bei mir am Werktor vorbei. Ihr dürft euch neben mich stellen und aufpassen. Vielleicht entdeckt ihr eure Türken.«
    Bis dahin hatten sie noch etwas Zeit. Ute und Klaus nutzten sie aus, um den Pförtner über die Arbeit in der Fabrik auszufragen. Denn ihren Plan mit der Direktreportage aus einer Fabrikhalle mußten sie nun wohl aufstecken. Ute wollte wissen, ob es tatsächlich so staubig und so laut in den Hallen sei und ob man wirklich den ganzen Tag bei künstlicher Beleuchtung arbeiten müsse.
    »So ist es«, sagte der Pförtner. »Leider. Da wird gehämmert und gebohrt und geschweißt. Da donnern und rattern unzählige Maschinen, und eine macht noch mehr Krach als die andere. Die Luft ist voller Eisenstaub, und es stinkt nach Öl und nach Gas. Fast dreißig Jahre hab’ ich in den Hallen gearbeitet. Dann hatte ich so viel Staub geschluckt, daß ich krank wurde. Nun steh’ ich hier als Pförtner, verdiene zwar weniger Geld, kann dafür aber besser atmen und den Himmel sehen und die alten Pappelbäume da drüben.«
    »Mein Vater arbeitet in einer Autowerkstatt«, berichtete Klaus. »Aber der ist mit seiner Arbeit zufrieden. Jedenfalls jammert er nicht.«
    Der Pförtner nickte. »Ja, in einer Autowerkstatt, das kann ich mir vorstellen. Als ich jung war, arbeitete ich als Maschinenbauer. Das war eine feine Sache, so an einer Maschine herumzutüfteln. Da durfte man noch beweisen, was man konnte. Und man war stolz, wenn man eine Maschine flottgekriegt hatte. Da konnte man zeigen, wer der Herr ist. Doch dann kamen schlechte Zeiten. Ich verlor meine Arbeit. Erst nach langem Suchen fand ich eine Stelle in dieser Fabrik. Hier entstehen am laufenden Band neue Maschinen. Da kann jeder nur eine winzige Teilarbeit machen. Lange Zeit hab’ ich immer nur Löcher gebohrt, tagaus, tagein acht Stunden hintereinander, eine Woche in der Frühschicht, eine in der Nachmittagsschicht, eine in der Nachtschicht. Und dann fing das Ganze wieder von vorn an. Es dauert dann gar nicht lange, bis man sich selber wie eine Maschine vorkommt.
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