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Wir kommen von der Presse

Wir kommen von der Presse

Titel: Wir kommen von der Presse
Autoren: Walter Gronemann
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»Es kommt ja auch immer darauf an, wen man interviewt. Der Schornsteinfeger war mir jedenfalls nicht sympathisch.«
    »Und warum nicht?«
    »Also, wenn ich Schornsteinfeger war’, dann war’ ich auch ein Glückbringer, da kannst du Gift drauf nehmen«, sagte Ute. »Ich würde die Leute wenigstens anlachen. Und außerdem würd’ ich mir Zeit nehmen, damit ich sie mit meinem Lachen anstecken könnte. Aber der von vorhin dachte bloß dauernd an seine hundert Schornsteine. Dabei könnte er doch wenigstens im Nebenberuf Glückbringer sein.«
    Klaus mußte ihr recht geben. »Wahrscheinlich hat er den Beruf verfehlt. Er wollte ja auch ursprünglich zum Zirkus.«
    Während sie noch auf der Bank an der Haltestelle saßen und sich überlegten, was ein erfahrener Zeitungsreporter wohl unter ein Foto mit einem Schornsteinfeger schreiben würde, hielt ein Bus vor ihnen.
    Ein Mann und eine Frau stiegen aus. Unschlüssig blieben sie an der Haltestelle stehen. Offensichtlich waren sie Ausländer, Türken vielleicht. Der Mann hatte pechschwarzes Haar, buschige Augenbrauen und einen mächtigen Schnurrbart. Er blickte düster drein, so richtig zum Fürchten, fand Ute, die selten Angst hatte. Selbst die Frau, deren braunes Gesicht von einem bunten Kopftuch umrahmt war, schien sich vor ihm zu fürchten. Sie warf ihm ängstliche Blicke zu.
    Die beiden wechselten ein paar unverständliche Worte und sahen dabei mehrmals zu Klaus und Ute hinüber. Ute wollte gerade aufstehen und sich rasch verdrücken, als der düster dreinblickende Mann auf sie zukam. »Ach, bittäschön, wo hier in Nähe ist Krankenhaus?« fragte er unbeholfen.
    Wirkten die beiden Fremden etwa nur deshalb so unheimlich, weil sie den Weg zum Krankenhaus nicht wußten? Klaus kannte ihn und beschrieb ihn sehr genau und sehr umständlich.
    So umständlich, daß Ute dazwischenfuhr. »Mensch, das kapieren die doch nie, so wie du das erklärst!« Und dann beschrieb sie den Weg, ganz einfach, klar und verständlich, wie sie meinte.
    Doch nun wußten die beiden Ausländer erst recht nicht, wie sie gehen mußten.
    »Was soll’s!« sagte Klaus. »Wir gehen mit und zeigen ihnen den Weg zum Krankenhaus.« Schließlich, dachte er, ist es heller Tag, und wir sind nicht allein auf der Straße. Warum sollten wir da Angst haben? Und seltsam! Plötzlich wirkte der Mann gar nicht mehr so düster. Die Frau lächelte sogar.
    Ute blickte in das braune Gesicht und dachte: Wie hübsch sie auf einmal aussieht!
    Dann gingen sie zusammen los. Da Klaus es langweilig fand, so schweigend nebeneinander herzugehen, sagte er gleich an der nächsten Straßenecke: »Übrigens, wir sind von der Presse. Von einer Schülerzeitung. Verstehen Sie? Wir würden Sie gern mal was fragen.«
    Und so erfuhren die beiden Reporter, daß der Mann und die Frau tatsächlich Türken waren, daß sie von der Küste des Schwarzen Meeres herstammten, daß sie dort arme Landarbeiter gewesen seien und nun hier in großen Fabrikhallen arbeiteten, mit viel Krach, viel Staub und wenig Tageslicht. Sie erfuhren, daß die beiden noch nicht lange in Deutschland lebten, daß sie oft Heimweh hatten und daß ihnen die deutsche Sprache noch viele Schwierigkeiten machte.
    »Das kann ich gut verstehen«, sagte Klaus. » Ich hab’ auch so meine Schwierigkeiten, besonders mit den deutschen Aufsätzen.«
    Ute aber meinte: »Ich finde, daß man sich mit Ihnen schon ganz prima unterhalten kann. Bestimmt!«
    Über dieses Lob freuten sich die beiden Türken sichtlich, und sie lachten Ute dankbar an.
    »Wollen Sie hier jemanden besuchen?« fragte Klaus, als sie beim Krankenhaus angelangt waren.
    »Ja, gute Freund«, sagte der Mann. »Ist sehr krank, da.« Und er tippte sich dabei mit dem Finger auf die Brust. Plötzlich fiel Klaus noch etwas ein. »Augenblick, bitte!« rief er, ging einige Schritte zurück und knipste das türkische Ehepaar mit Ute.
    »Vielen Dank für den Weg zeigen«, sagte der Mann ausgesprochen freundlich.
    »Ach was, nichts zu danken«, entgegnete Ute. »Und gute Besserung für Ihren Freund.«
    Die Türkin lächelte die Kinder dankbar an. »Ihr seid gutt, serr gutt. Richtige Glückbringer, ich glaube.«
    Ute und Klaus gingen nachdenklich nach Hause.
    Als sie sich trennten, meinte Ute: »Wahrscheinlich ist es ganz großer Quatsch, daß bloß Schornsteinfeger Glückbringer sind.«
    »Glaub’ ich auch«, stimmte Klaus zu. »Jeder, der anderen eine Freude macht, ist ein Glückbringer, finde ich. Und Schornsteinfeger, die bloß
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