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Wir kommen von der Presse

Wir kommen von der Presse

Titel: Wir kommen von der Presse
Autoren: Walter Gronemann
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Das laufende Band wird zum Herrn. Und man ist willenlos ausgeliefert.«
    Je länger der Mann erzählt hatte, um so ernster waren die Kinder geworden. Ute aber hatte trotzdem nicht vergessen, alles mit ihrem Recorder aufzunehmen. Plötzlich heulte eine Sirene auf. Die große Uhr vor dem Pförtnerhaus zeigte genau vierzehn Uhr. Wenige Sekunden später schon kamen die ersten Arbeiter vorbei, zeigten einen Ausweis vor und gingen durch das Tor auf die Straße hinaus.
    Die haben auf die Feierabendsirene gewartet wie ein Hundertmeterläufer auf den Startschuß, dachte Klaus. Es waren viele Männer, aber nur wenige Frauen, die an ihnen vorbeiströmten. Ute und Klaus schauten alle genau an. Doch die beiden Türken vom Vortag entdeckten sie nicht. Nach wenigen Minuten schon ließ der Menschenstrom nach. Da rannte Klaus hinaus, um wenigstens noch ein Bild vom Feierabend vor dem Werktor zu machen.
    Als die letzten Nachzügler beim Pförtner vorbeigegangen waren, schaute Ute auf die große Uhr. Seit dem Sirenenton waren nur gut fünf Minuten vergangen. »Die haben es aber eilig, hier rauszukommen«, meinte sie. »Ja, sie können’s kaum erwarten«, sagte der Pförtner. »Sie wollen ins Freie, an die frische Luft, nach Hause. Vielleicht wollen sie auch rasch auf ein Glas Bier in die Wirtschaft. Die Luft in den Fabrikhallen macht durstig. Oder sie möchten, wie ich auch gleich, in ihre Gärten. Ja, in meinem Garten müßtet ihr mich mal besuchen! Da würde es euch bestimmt gefallen!«
    Klaus wagte noch einen letzten Versuch und fragte, ob sie denn nicht doch mal in eine Fabrikhalle schauen dürften, nur ganz kurz.
    Doch der Pförtner lehnte ab. »Kinder dürfen da nicht hinein. Verboten! Und das ist gut so. Kommt lieber in meinen Garten. Ich wohne in der Kolonie Felizitas’, Nummer neun.«
    »Mal sehen«, meinte Klaus ein wenig enttäuscht, »vielleicht kommen wir irgendwann vorbei.«
    Dann verabschiedeten sie sich von dem Pförtner und verließen das Fabrikgelände.
    Sie fanden, daß der Nachmittag recht interessant gewesen war. Auch wenn die Sache nicht so gelaufen war, wie sie es sich vorgestellt hatten.
    »Wer weiß, warum wir uns die Maschinenhallen nicht ansehen durften.« Ute überlegte. »Dahinter steckt bestimmt was Schlimmes. Etwas, das Kinder nicht sehen sollen. Ich möchte nie in einer Fabrik arbeiten. Irgendwie ist man da eingesperrt, finde ich, wenn auch nur jeden Tag acht Stunden lang.«
    Plötzlich lachte Klaus auf. »Ich muß gerade an das ,Zwiebelblatt’ denken. Das hast du vorhin prima hingekriegt. ,Zwiebelblatt’ klingt übrigens gar nicht übel, im Gegenteil. Das könnten wir von mir aus immer als Ausrede gebrauchen.«
    Nach einigen Schritten sagte Ute: »Ich hab’ noch ‘ne bessere Idee. Wir machen eine eigene Zeitung. Und die nennen wir ,Zwiebelblatt’. Sie braucht ja zunächst nur aus zwei Exemplaren zu bestehen. Aus einem für dich und einem für mich.«
    »Klasse, Ute!« rief Klaus begeistert. »Das wäre eine richtige Geheimzeitung. Olaf soll sich sein Knallbonbon’ doch an den Hut stecken! Das ,Zwiebelblatt’ wird um Klassen besser!«
     

Die Kolonie »Felizitas«
     
    Einige Tage später erklärte Herr Möllmann, daß er in der nächsten Stunde nicht gestört werden wolle. Er habe in der Dunkelkammer einige Filme zu entwickeln. Klaus bat ihn, seinen Film gleich mit zu entwickeln. »Ich brauche allerdings von jeder Aufnahme zwei Abzüge«, sagte er. »Ist das zu machen?«
    »Warum gleich zwei?« Der Vater wunderte sich.
    Klaus wurde verlegen. Verflixt! Daran hatte er ja gar nicht gedacht: Wenn der Vater für ihn die Bilder entwickeln sollte, mußte er ihm ja auch das Geheimnis vom »Zwiebelblatt« verraten. Ob Ute damit einverstanden wäre? Bestimmt nicht.
    Klaus schaute seinen Vater bittend an. »Papa, ich kann’s dir nicht erklären. Die Sache ist vorerst noch geheim — ich darf momentan nicht darüber reden. Du kannst dir die Bilder in der Dunkelkammer ruhig anschauen. Aber ausfragen darfst du mich nicht. Bitte! Irgendwann werde ich das Geheimnis lüften. Und ich verspreche, daß ich es dir zuallererst erzählen werde.«
    »In Ordnung«, sagte Herr Möllmann nach kurzem Überlegen und ging in die Dunkelkammer.
    Als Klaus Ute davon erzählte, meinte sie: »Du hast es gut! Mein Vater hätte mich so lange ausgequetscht, bis ich ihm alles erzählt hätte.«
    Auch sie hatte inzwischen fleißig am »Zwiebelblatt« gearbeitet. Fein säuberlich hatte sie auf Zeichenpapier die Zeitungsberichte
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