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Wir kommen von der Presse

Wir kommen von der Presse

Titel: Wir kommen von der Presse
Autoren: Walter Gronemann
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geschrieben, und zwar jeweils doppelt, einmal für Klaus und einmal für sich selbst. Auf jedem Blatt hatte sie in der oberen Hälfte genügend Platz für das entsprechende Foto gelassen. »Jetzt müssen wir uns nur noch Mappen kaufen«, sagte sie. »Darin können wir dann unsere Reportagen sammeln.«
    »Die besorge ich«, versprach Klaus. Er las Utes Berichte und fuhr sich dabei immer wieder aufgeregt durch das dichte blonde Haar. Er freute sich unheimlich über diese ersten Seiten vom ,Zwiebelblatt’. »Also, Ute, wenn ich Lehrer war’ und du wärst bei mir in der Klasse, würd’ ich dich glatt vom Aufsatzschreiben befreien und dir automatisch in jedem Zeugnis ‘ne Eins geben. Ehrlich!« Er fand allerdings, daß drei einsame Berichte in einer großen Mappe eigentlich recht mickrig wirkten. »Die Mappen müssen voller werden«, sagte er. »Wann machen wir weiter?«
    »Immerhin haben wir einen Anfang«, erklärte Ute. »Von mir aus können wir sofort mit Kamera und Recorder losziehen. Vielleicht kriegen wir dann heute noch ‘ne neue Reportage dazu.« Ihr fiel zwar ein, daß sie unbedingt noch ein Kapitel im Biologiebuch durchlesen mußte — aber das hatte auch bis morgen Zeit.
    Sie beschlossen, zur Kolonie »Felizitas« zu gehen und den Pförtner von der Maschinenfabrik in seinem Garten zu besuchen. Klaus meinte, ein Gartenfoto würde gut an das Feierabendbild vor dem Fabriktor anschließen.
    Ute hatte bisher noch nie von der Kolonie gehört. Ganz unauffällig und hintenherum hatte sie daher ihre Mutter ausgefragt.
    Vor rund hundert Jahren war die Arbeiterkolonie nahe bei einer Kohlenzeche namens »Felizitas« im Westen der Stadt gebaut worden. Die Zeche gab es nun schon lange nicht mehr. Aber die Häuser der Kolonie waren noch heute bewohnt. Es hieß sogar, die Leute dort fühlten sich in den alten Häusern besonders wohl. Und doch hatte sich in der Stadt das Gerücht verbreitet, daß die Kolonie in absehbarer Zeit abgerissen werden sollte. Die Häuser seien einfach zu alt.
    Das hatte Ute von ihrer Mutter erfahren und erzählte auf dem Weg zur Kolonie Klaus davon.
    »Einfach abreißen wollen sie die Häuser?« fragte Klaus. »Bloß weil sie alt sind? Find’ ich aber nicht gut.«
    »Ich auch nicht«, sagte Ute. »Aber sie werden schon irgendwelche Gründe dafür haben.«
    Mehrmals mußten sie fragen, bis sie endlich einen breiten Weg mit dem Straßenschild »Felizitas« fanden. Wäre dieses Schild nicht gewesen, hätten sie meinen können, der Weg führe durch eine große Gartenanlage mit weiß und rosa blühenden Obstbäumen, mit Büschen und Blumenbeeten voller Tulpen und Narzissen. Erst auf den zweiten Blick erkannten sie die einstöckigen Häuser, zu denen schmale Wege führten, die mit buntblühenden Polsterstauden gesäumt waren.
    Die dunkelroten Backsteinhäuser mit den kleinen Fenstern wirkten zwar wirklich nicht besonders schön, aber das bemerkten Ute und Klaus gar nicht. Sie sahen nur die bunten Blüten und saftigen Blätter in der Frühlingssonne. Klaus kam sich vor wie in einer Schrebergartenkolonie, nur daß die Häuser eben größer waren als Gartenlauben.
    Da kam plötzlich ein kleiner Junge mit einer schwarzen Katze unter dem Arm aus einem der Seitenwege auf die beiden zugerannt. Der Kleine, er mochte etwa sechs Jahre alt sein, stellte sich ihnen in den Weg und schaute sie ziemlich mißtrauisch an. »Was wollt ihr denn hier?« fragte er herausfordernd.
    Klaus blickte ihn von oben herab an. »Geht dich eigentlich ‘n Dreck an, du Baby«, sagte er. »Aber vielleicht kannst du uns helfen. Wir wollen zu einem Mann, der Pförtner in der Maschinenfabrik Phönix ist. Er muß in Nummer 19 oder 29 wohnen. Genau wissen wir’s nicht mehr. Kennst du den?«
    »Klar, ich kenn’ hier alle Leute«, sagte der Kleine und streichelte seine Katze. »Aber ich verrat’ euch seine Hausnummer nur, wenn ihr mir sagt, was ihr mit dem Fotoapparat und dem Dings da vorhabt.« Er meinte Utes Recorder.
    »Wir sind Reporter und kommen von einer Zeitung«, sagte Ute.
    Der Kleine wurde noch mißtrauischer. »Haut ab!« schrie er dann. »Ihr habt in unserer Kolonie nichts verloren! Wenn ihr nicht auf der Stelle verduftet, hol’ ich die andern!«
    »Hör sich einer diesen lächerlichen Zwerg an!« Klaus lachte spöttisch. »Bei dir tickt’s wohl nicht richtig! Den möcht’ ich doch mal sehen, der uns daran hindern will, hier durchzugehen!«
    Aber Klaus hatte den Mund ein wenig zu voll genommen. Denn nur einige Augenblicke
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