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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)
Autoren: Christoph Peters
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die Lebenden und die Toten.
    Cherubim und Seraphim , Mächte und Gewalten unterstehen seinem Befehl. »Guck mal , Ulli Koch fallen Popel aus den Ohren.«
    »Wieder nicht gewaschen , Ulli!«
    Wahrlich ich sage euch: Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt , das habt ihr mir getan . Sie verhöhnen Ihn , sie beschmutzen Sein geweihtes Haus. Wer guten Willens ist , die Tür seines Herzens dem Gekreuzigten öffnet , hat Mühe , den Worten der Frohbotschaft zu folgen. Carl ist guten Willens , vielleicht der einzige hier und heute , dessen Willen gut ist. Arndts sagt: »Ich will Pommes essen , mit Majo und Ketchup.«
    Er lacht , man hört ihn im ganzen Kirchenraum. Niemand von den Erwachsenen schreitet ein. Es wird von Woche zu Woche schlimmer. Carl denkt an den Zorn Gottes , an die Wiederkunft des Herrn. Die Zeit ist nahe , man muß ihre Zeichen erkennen. Durch die Welt läuft ein Riß , an dessen Grund sich die Hölle auftut. Er spaltet die Familien , die Staaten , die Erde. Die Waffenlager quellen über , genügend Atombomben , um alles , was da ist , hundertfach zu vernichten. In Rußland und China werden die Gläubigen vor Gericht gezerrt , ins Gefängnis geworfen , ermordet. Überschwemmungen , Hungersnöte. Die große Drangsal steht bevor , das alles verschlingende Feuer. Ohne göttlichen Beistand schafft es keiner , bis zum Schluß auszuharren. Dann endlich wird von einem Ende der Erde bis zum anderen die Posaune erschallen , stählern , durchdringend. Der Menschensohn wird auf einer Wolke einreiten , in der Hand eine scharfgeschliffene Sichel. Das interessiert sie nicht. Sie denken , das lächerliche Leben , Gier , Gemeinheit und Zerstreuung , gingen immer so weiter. Leinberger und Rogge haben sich ganz dem Bösen verschrieben , in ihren Herzen hat der Teufel sich eine behagliche Wohnstatt eingerichtet. Die anderen sind bloß lau , träge , nachlässig. Das Licht des Glaubens in ihnen ist erloschen. Vielleicht wurde es nie entzündet. Rogges Vater taucht nur an Weihnachten in der Kirche auf , der Bauer Arndts , der Schreiner Maaß rauchen und quatschen draußen. Was ihre Söhne tun , haben sie auch schon getan. »Evangelium unseres Herrn Jesus Christus.«
    »Lob sei dir , Christus.«
    Auf dem Gesicht des Gekreuzigten Sanftmut – trotz des Martertodes , trotz der Gleichgültigkeit , die Ihm entgegenschlägt.
    »In der Lesung aus dem Buch I-sa-i-jas malt der Prophet uns ein schönes Bild: Dann wohnt der Wolf beim Lamm , der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen , ein kleiner Knabe kann sie hüten. So war es im Paradies , so wird es im himmlischen Jerusalem sein. Aber in unseren Tagen ist die Welt voll von Gewalt und Krieg , wohin man auch blickt. Vielen Menschen erscheinen die Worte des Propheten wie Hohn und Trug.«
    Maaß zieht Schleim den Rachen hinauf , läßt einen hellgelben Pfropf aus gespitzten Lippen ab , saugt ihn lauthals wieder ein. »Ich kotz’ gleich« , sagt Arndts.
    »Mach doch« , sagt Maaß , klappt sein Gebetbuch auf , legt es sich auf die Knie , um die Hose zu schützen , läßt den Pfropf tiefer sinken , nur ein dünner Speichelfaden hält den Schleim noch am Mund.
    Eine Regung Seines Heiligen Arms würde reichen , um das hier ein für allemal zu beenden. Nie wieder würden sie sich so benehmen.
    Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt , und jeder Baum , der keine gute Frucht bringt , wird umgehauen und ins Feuer geworfen.
    »Aber ganz gleich , was wir auch tun , wie tief wir auch in Sünden verstrickt sind , der Heiland wendet sich uns immer wieder voll Erbarmen zu.«
    »Die Affen rasen durch den Wald / der eine macht den andern kalt / wo ist die Kokosnuß , / wo ist die Kokosnuß , / wer hat die Kokosnuß gekla-ha-haut?«
    »Darum wollen wir umkehren , unsere Schuld bereuen , auch regelmäßig zur Beichte gehen und Vergebung empfangen , auf daß wir gereinigt und bereit sind für das heilige Sakrament der Eucharistie und dereinst , wenn die Gräber geöffnet werden und die Toten auferstehen , alle gemeinsam in den Himmel kommen zu ewiger Freude. Amen.«
    »Hier stinkt’s.«
    »Ulli Koch hat einen fahren lassen.«
    »Die Sau.«
    »Stimmt gar nicht.«
    »Der Mief sitzt in der Unterhose fest.«
    »Credo in unum de-e-e-um.«
    Es ist ein Schmerz. Und Zorn. Eingeklemmt , verkantet. Er zerreißt Carls Brust. Dahinter ein Schrei. Wenn der Schrei sich befreit und herausbricht , zerspringen die Fenster , das bunte Glas. Splitter der Heiligen Dreifaltigkeit ,
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