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Wir haben keine Angst

Wir haben keine Angst

Titel: Wir haben keine Angst
Autoren: Pauer Nina
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Erfolg, als wärst du der Geilste überhaupt? Und da merkt man dann, dass das eben auch echt nur wieder ’ne bekloppte Hausarbeit war, für die man einen Aufwand betrieben hat, als sei es ’ne Doktorarbeit. Und am Ende kriegt man dann seine eins oder zwei, und was bringt das einem? Nix. Und dann findet man die ganze Freude plötzlich mega-lächerlich. Dann kann man den Hype, den man da zelebriert hat, auf einmal überhaupt nicht mehr verstehen.«
    Bastian lacht bitter. Seine Sätze klingen im Raum nach, als hätte er sie ausgespuckt. Aneinandergedrängt hängen sie in der Luft, als warteten sie darauf, dass irgendwer irgendetwas mit ihnen anfängt. Doch Herr G. tut nichts. Er reagiert nicht. Er nickt noch nicht einmal so verständnisvoll wie sonst. Er mustert Bastian nur schweigend.
    »Wen meinen Sie denn eigentlich mit ›man‹?«, fragt er nach einer kleinen Pause ruhig.
    »Oho«, ruft Bastian, »Moooment!« Er hebt unschuldig die Hände in die Höhe. »Habe ich das etwa gesagt?«, fragt er gespielt entsetzt. Seine Stimme klingt sarkastisch und einen Tick höher als er will.
    Herr G. reagiert wieder nicht. »Ja, das haben Sie. Sogar mehrfach«, sagt er völlig unbeirrt.
    Bastian verdreht die Augen. »Hmm«, sagt er langsam, er stützt seinen Arm auf die Stuhllehne und blickt grübelnd in Richtung Fenster. »Wen könnte ich damit wohl meinen …?« Er tippt mit dem Zeigefinger an seine Unterlippe. In Zeitlupe dreht er sich zurück zu Herrn G. »Ich glaube, ich meine damit …«, beginnt er in einem Tonfall, als hätte er ein Kleinkind vor sich, und macht dann eine theatralische Pause. Vermeintlich konzentriert wie ein schlechter Fernsehzauberer kneift er die Augen zusammen und tastet mit seinen Händen durch die Luft. »Ich meine damit …« Plötzlich rasen seine Hände aufeinander zu und klatschen direkt vor Herrn G.s Nase zusammen. » MICH !«, ruft Bastian laut und lacht irre, »mich, mich, mich!«
    *
    Unser Angstmacher Nummer fünf ist das klare Statement.
    Er ist es auch, der uns so still werden lässt. Er ist es, der uns ständig verbietet, laut und klar unsere Meinung kundzutun zu dem, was wir über den Gang der Welt im Allgemeinen und Speziellen denken. Denn er hält unser Peinlichkeitvermeidungsideal hoch wie kein anderer. Und macht damit unsere sowieso schon so stark ausgeprägte Pathos-Allergie und unsere damit einhergehende Sucht nach überlegener Ironie nur noch schlimmer, als sie sowieso schon ist.
    Mit der Folge, dass sich eigentlich so gut wie niemand mehr traut, den Mund aufzumachen. Zumindest nicht, um sich allen Ernstes vor andere hinzustellen und völlig ironie- und schambefreit in die Welt zu rufen, was er glaubt, wofür er steht, wen er wählt und worauf er hofft.
    Die Wahrscheinlichkeit, dass er dadurch unangenehm auffällt, liegt mittlerweile nämlich bei ungefähr einhundert Prozent. Einen so wahrscheinlichen Imageverlust mag der Großteil von uns aber verständlicherweise einfach nicht riskieren. Und hat es sich deshalb lieber im sicheren Land des ex negativo gemütlich gemacht. Dort muss man nämlich nicht mit der Angst leben, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Denn hier äußert man sich prinzipiell nur im Namen des Ausschlussprinzips und deshalb eigentlich gar nicht. Alles, was man tun muss, um immer schön auf der sicheren Seite zu bleiben, ist konsequent Nein zu sagen. Und darauf zu vertrauen, dass einen schon nie jemand nach dem Ja fragen wird.
    Wenn man allerdings nur immer schnell das kommentiert, was man dämlich findet, wenn man nur immer schnell alle Sätze, die wie ein Statement wirken könnten, in »irgendwie halt so mäßig«-Hüllen verpackt und, noch bevor man seinen Satz beendet hat, darauf verweist, dass das alles sowieso nur »gefährliches Halbwissen« sei, wird das auch nicht passieren. Lapidar mit den Schultern zuckend und brav alle Schwammigkeiten, die andere von sich geben, abnickend kommt man auf diese Weise echt extrem gut durch.
    Die Dauerkarte für die sichere Tribüne der neutralen Zuschauer bekommt man so dann eigentlich auch relativ schnell automatisch hinterhergeschmissen. Und dort, auf diesen Plätzen in der Mitte, kann man sich sowieso komplett entspannen. Denn hier, im seichten Ungefähren, im weich gepolsterten Uneigentlichen, fällt die eigene Stille garantiert niemandem mehr auf. Dafür ist das gegenseitige Niedergepfeife von rechts und links, aus den schlecht besetzten anderen Meinungsblöcken, nämlich viel zu laut.
    *
    »Also gut.
Ich
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