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Wir haben keine Angst

Wir haben keine Angst

Titel: Wir haben keine Angst
Autoren: Pauer Nina
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ja?«, sagt Bastian überdeutlich und klopft sich auf die Brust. »Also
ich
will ja nur folgende These aufstellen: Ob
ich
hier irgendwann noch mal meinen Abschluss mache oder ob in China ein Sack Reis umkippt, ist eigentlich gleich wichtig.« Er lehnt sich langsam in seinem Stuhl zurück und lächelt gönnerisch zu Herrn G. hinüber. »Oder was meinen Sie?«
    »Naja«, sagt Herr G. trocken. »Wenn Sie die Welt so betrachten möchten«, er faltet seine Hände und beginnt langsam, Däumchen zu drehen. »Dann sind wir ja alle nichts als umkippende Säcke Reis. Sie, ich, alle Menschen.« Seine Daumen wechseln die Richtung. Er erwidert Bastians Lächeln. »Oder was meinen Sie?«
    »Ja, klar schon«, Bastian hibbelt mit den Füßen. Er spricht jetzt endlich wieder in seiner normalen Schnelligkeit. »Aber verstehen Sie diese Absurdität nicht, die das ergibt? Was aus mir wird, wen interessiert’s? Ob ich glücklich bin oder nicht, wen geht das was an? Dann isses doch eigentlich alles völlig egal, oder?« Er lässt seine Hände, mit denen er die Sätze unterstrichen hat, kraftlos in den Schoß fallen.
    Herr G. hält sein Daumenspiel an. »Wen meinen Sie denn«, fragt er, »
sollte
es etwas angehen außer Sie selbst? Also, an wen denken Sie da?«
    Bastian überlegt. »Ich weiß nicht … Niemanden jetzt speziell«, murmelt er. »Ich meine ja nur, dass wir halt schon alle krass …
atomisiert
unterwegs sind. Also, dass halt irgendwie kein gemeinsames
Projekt
in Sicht ist …«
    Herr G. nickt.
    »… dass halt niemand mehr
aufsteht
, wissen Sie. Dass da so null
Kraft
in der Masse ist …«
    Herr G. nickt nun langsamer. Er runzelt seine Stirn.
    »… also dass da so gar kein
revolutionäres
Potential mehr aus den Leuten kommt, so gar keine große
subversive
Kraft mehr.«
    Herr G. hört auf zu nicken. Er wirft Bastian einen skeptischen Blick zu.
    »Entschuldigung, ich will Sie nicht unterbrechen. Aber worüber sagten Sie noch gleich, schreiben Sie Ihre nächste Hausarbeit? Nicht mehr über Luhmann, oder?« Ein Schmunzeln huscht über sein Gesicht.
    »Äh, nee«, sagt Bastian und grinst. »Okay, gut, eins zu null, Mann«, lacht er. »Sie haben mich erwischt.« Er kratzt sich verlegen am Kopf. »Ich schreib jetzt über Marx.«
    *
    »Anna-Süße, hörst du mich?!«, schreit Marie hektisch durchs Telefon. »Bist du grad im Wohnzimmer?«
    Anna verzieht das Gesicht. »Was ist denn da so
laut
, Marie, wo zur Hölle bist du? Ich dachte du wärest grad beim Sport?!« Anna entwirrt die drei Decken, unter denen sie liegt, und setzt sich ein Stück auf. In der Leitung herrscht Stimmengewirr. »Marie?«
    Anna beugt sich vom Sofa zum Boden. Eines ihrer Kissen ist ihr weggerutscht. Sie hebt es mit der einen Hand auf, sammelt mit der anderen die überall neben dem Sofa herumliegenden gebrauchten Taschentücher zusammen und häufelt sie auf dem Tischchen neben sich zu einem kleinen Berg an. Als sie hochkommt, dreht sich ihr Kopf. Ihre Nebenhöhlen sind total zu.
    »Ja, stimmt, beim Sport, da wär ich jetzt auch gerne«, brüllt Marie durch die Stimmen. Anna hält das Telefon ein Stück vom Kopf weg. »Aber ich komm ja nicht hin! Ist ja alles zu hier! Hast du etwa nichts gehört? Die müssten doch eigentlich schon direkt unter deinem Fenster angekommen sein!«
    »Ich hab grad Musik über Kopfhörer gehört, damit mich das Festnetz nicht nervt«, murmelt Anna mit belegter Stimme. »Was ist denn los?«
    »Geh doch jetzt mal ans Fenster!«, schreit Marie. »Hier sind original sechs so riesige große Panzerdinger, weißt du, die Wasserwerfer, diese großen! Siehst du die?«
    Anna sinkt zurück in ihr Kissen. »Marie, ich bin viel zu matschig, um aufzustehen«, sagt sie müde und massiert sich die Schläfen. »Ist da ’ne Demo, oder wie?«
    »Nee«, schreit Marie. »Eyyyyy! HALLO ?! Sagt mal,
geht’s
noch?!?!«
    Anna streckt die Hand mit dem Hörer so weit sie kann von sich.
    »Könnt ihr mich hier vielleicht netterweise mal
durchlassen
?«, hört sie Maries wütende Stimme. »Ganz vielleicht, bitte? Ja? Das wäre sehr freundlich! Ich will nämlich nur in das Haus meiner Freundin da hinten, versteht ihr?! Könnt ihr das verstehen, ja?«
    Anna schließt die Augen.
    »Sorry, Anna-Süße, die wollten mich hier grad nicht durchlassen. Ich komm jetzt einfach mal bei dir rum.«
    »Was ist denn da los?«
    »Ach, weiß nicht, irgendein besetztes Haus hier schon wieder, irgend so was, wie immer halt … Krass! Da hinten ist diese eine von unserer
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