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Wir - die Unsterblichen

Wir - die Unsterblichen

Titel: Wir - die Unsterblichen
Autoren: Clark Darlton
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erhalten Sie, um durch graphologische Experten feststellen zu lassen, daß Sie keiner Mystifikation zum Opfer gefallen sind. Jeder wird Ihnen bestätigen, daß es sich um die Handschrift des Mannes handelt, den Sie vor wenigen Stunden mit der Zeitmaschine fünfhundert Jahre in die Vergangenheit schickten – und der nun in Ihre Gegenwart zurückkehrte, um Rache zu nehmen.
    Oder glaubten Sie, ohne Strafe davonzukommen?
    Im beigefügten Manuskript lesen Sie die Geschichte meines Lebens, meines zweiten Lebens, das ich Ihnen zu verdanken habe. Und erst dann, wenn Sie alles gelesen haben, werden Sie begreifen, welche Strafe ich Ihnen zugedacht habe.
    Und Sie werden den Wahlspruch meines Geschlechtes begreifen, der da lautet: NICHTS IN DIESER WELT IST OHNE GRUND.
    Baron Edmond von Klarenbach.
     
    Als Richter Jenner den Brief gelesen hatte, sank er in den Sessel zurück, das Schriftstück auf dem Schoß, die Augen geschlossen. Er wollte nicht begreifen, was sich ihm als einzige und logische Erklärung bot. Es war unmöglich, daß ein Mensch, der seit fünfhundert Jahren tot war, in die Gegenwart zurückkehrte. Baron von Klarenbach war heute früh und damit vor knapp fünfhundert Jahren gestorben, als er die Kammer der Zeitmaschine betrat.
    Es war noch niemals jemand zurückgekehrt.
    Warum also Baron Edmond von Klarenbach?
    Er öffnete die Augen und überzeugte sich davon, daß er noch in seinem Arbeitszimmer saß. Mit zitternden Händen legte er den Brief auf den Tisch zurück und nahm die Manuskriptblätter zur Hand. Es waren zehn solcher Blätter. Die Typen der Schreibmaschine waren ohne jeden Zweifel modern und stammten aus der Gegenwart.
    Ein Gedanke, der Jenner zugleich beruhigte und beunruhigte.
    Es gab sich einen Ruck und begann zu lesen …
     
    Ich hatte keine Angst, als die Wärter am Morgen kamen, um mich abzuholen. Sie würden mich nicht in eine Todeszelle bringen, nur in den Raum, in dem die Zeitmaschine stand. Ich war von Anfang an davon überzeugt, daß sie funktionieren würde, und damit würde sie mein Leben in der Gegenwart beenden. Aber sie bedeutete nicht den absoluten Tod, das endgültige Ende.
    Nein, Angst verspürte ich nicht, wohl aber einen unbändigen Haß, wenn ich an den Triumph des Mannes dachte, der seine kleinliche Rache in so ungeheuerlicher Weise in die Tat umsetzte. Wegen eines geradezu lächerlichen Vorfalles – ich war damals noch ein Kind – verbannte er mich aus meiner Gegenwart. Und damit zwang er mich, eine Nacht lang nachzudenken – es war die Nacht vor meiner »Hinrichtung«. Ich kam dabei zu erstaunlichen Ergebnissen.
    Hinter mir schloß sich die Zeitkammer, und ich war allein. Ich konnte nicht einmal hören, wie an der Einstellung manipuliert wurde, und es war mir auch egal. Fünfhundert Jahre, hatte Dekker errechnet. Warum sollte er sich geirrt haben? Außerdem hatte es vor einem halben Jahrtausend eine doch merkwürdige Anhäufung wissenschaftlicher Großtaten gegeben, die sehr leicht auf den Einfluß aufgeklärter Männer zurückgeführt werden konnte, die mit Dekkers Zeitmaschine im Verlauf der letzten zwanzig oder dreißig Jahre in die Vergangenheit verbannt wurden.
    Galilei entdeckte das Fernrohr.
    Kepler entwickelte die Bewegungsgesetze.
    Newton folgte mit seinen Gravitationsgesetzen.
    William Harvey entdeckte etwas später den Blutkreislauf.
    Und Pascal kam auf die Idee, das Barometer als Höhenmesser zu verwenden.
    Es war die Zeit, in der die Menschen ihre Welt entdeckten und ihren Horizont zu erweitern begannen. Ich konnte mir vorstellen, daß ich in diese Zeit paßte, aber ich wußte auch, wie vorsichtig ich sein mußte, wenn ich nicht als Ketzer oder Zauberer im Kerker landen wollte.
    In der Zeitkammer war es dunkel. Ich hatte plötzlich das Gefühl, frei in der Luft zu schweben und den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ich fiel, ich stürzte in die Vergangenheit, durch die Jahrhunderte, bis der Energiestrom plötzlich abriß. Der Ruck, mit dem ich die neue Zeitebene berührte, war so heftig, daß ich hart auf den Boden prallte. Aber ich spürte den Schmerz kaum, denn meine Augen nahmen Licht wahr, ein schwaches, silbriges und altbekanntes Licht.
    Über mir war der klare Nachthimmel mit seinen Sternen und einem von Gemäuer halb verdecktem Vollmond. Als ich mich aufrichtete, konnte ich ihn ganz sehen. Er hatte sich nicht verändert.
    Ich blieb in der geduckten Haltung und lauschte. Außer dem Rascheln welken Laubes und dem Pfeifen des Windes durch Mauernischen
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