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Wer hat Alice umgebracht?

Wer hat Alice umgebracht?

Titel: Wer hat Alice umgebracht?
Autoren: S Hogan
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PROLOG
    Alice Wright lächelte dem blinden, zersprungenen Spiegel zu.
    Die junge Frau konnte die Umrisse ihres eigenen Gesichtes kaum erkennen. Ihr undeutliches Spiegelbild glich eher einer hässlichen Fratze. Aber Alice wusste genau, dass sie in Wirklichkeit eine außergewöhnliche Schönheit war. Und sie sah nicht nur sehr gut aus, sie war auch verflixt clever.
    Der Plan, den sie sich ausgedacht hatte, war teuflisch raffiniert. Bisher lief alles wie am Schnürchen. Ja, schon bald würde Alice ihre hässliche Geburtsstadt Glasgow für immer hinter sich lassen. Dafür nahm sie sogar in Kauf, dass sie ein paar Tage lang in dieser miesen Absteige mit dem kaputten Badezimmerspiegel hausen musste. Hier kannte sie keine Menschenseele, und das war ein großer Vorteil.
    Alice öffnete das Fenster, denn in der kleinen Nasszelle war es unerträglich stickig geworden. Trotz des Schimmelgeruchs hatte sie sich überwunden und die Dusche benutzt. Alice verabscheute Schmutz, und sie hasste Armut. Und von beidem gab es in Glasgow mehr als genug.
    Das miese Pensionszimmer befand sich in Easterhouse. Dieser Stadtteil gehörte zu den gefährlichsten Gegenden der schottischen Großstadt. Eine Frau ging hier besser nicht allein auf die Straße. Schon gar nicht nachts. Aber Alice hatte auch gar nicht vor, sich die Umgebung anzuschauen. Sie wollte hier nur warten, bis ihr großes Vorhaben endlich Wirklichkeit wurde.
    Einen Steinwurf weit von der schäbigen Pension entfernt, lungerten Typen, die zu einer Gang gehörten, auf einem Parkplatz herum. Sie dealten ganz offen mit Drogen, einer spielte angeberisch mit seinem Butterfly-Messer. Ein paar Rentner in zerschlissenen Klamotten gingen langsam zum Supermarkt am Ende der Straße, der wie ein Hochsicherheitstrakt mit Gittern und Überwachungskameras gesichert war.
    In diesem Stadtviertel war Glasgow am hässlichsten. Alice hatte trotzdem gute Laune, denn in Gedanken war sie schon längst in der Südsee. Unter der pazifischen Sonne und den Palmenhainen würde sie ihren grauen, verregneten Geburtsort sehr schnell vergessen. Das Paradies der Korallenriffe und der coolen Surfer wartete auf sie. Sie freute sich auf ein Leben im Luxus. Nie mehr würde sie sich Sorgen machen müssen, woher ihr Geld kam.
    Dann bin ich endlich Alice im Wunderland, dachte sie. Ob ihre Eltern sie wohl nach der gleichnamigen Romanfigur von Lewis Carroll benannt hatten? Alice wusste es nicht und konnte Mom und Dad auch nicht mehr fragen, denn ihre Eltern waren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Sie ließ niemanden zurück, wenn sie Schottland für immer den Rücken kehren würde – und zwar als vermögende Frau.
    „Jung und schön bin ich schon, jetzt muss ich bloß noch reich werden“, sagte Alice arrogant zu ihrem grotesken Spiegelbild. Dann schloss sie schnell wieder das Fenster, bevor einer dieser Kerle auf dem Parkplatz noch ihren makellosen nackten Körper bemerkte. Diesen Losern gönnte sie nicht mal einen Blick auf ihren Luxusleib. In Alices Augen waren solche Typen nichtsnutzige Versager, die früher oder später durch ihre selbst gepanschten Drogen oder durch eine Revolverkugel zugrunde gehen würden.
    Alice föhnte ihre langen blonden Locken. Dann stieg sie in hauchzarte Dessous und zwängte sich in ein enges Etuikleid von einem japanischen Designer. Coole Pumps rundeten das elegante Erscheinungsbild ab. Selbst wenn sie in dieser Bruchbude niemand zu Gesicht bekam: Sie wollte immer gut aussehen. Um das Risiko zu minimieren, lebte Alice nämlich momentan allein hier. Ihr Plan war zwar genial durchdacht, konnte aber immer noch schiefgehen. Sie musste sich, so gut es ging, unsichtbar machen.
    Plötzlich klopfte es an der Tür. Damit hatte Alice überhaupt nicht gerechnet.
    Das Herz der jungen Frau krampfte sich zusammen. Wer konnte das sein? Etwa die achtzigjährige übergewichtige Pensionswirtin mit der lilastichigen Perücke? Eigentlich war Alice davon ausgegangen, dass diese alte Tante die steile Treppe überhaupt nicht mehr bewältigen konnte. Das war ja ein wichtiger Grund dafür gewesen, dass sie sich hier lebendig begraben hatte. Möglichst wenige Menschen sollten einen Blick auf Alice erhaschen.
    „Mach auf, ich bin’s.“
    Als sie die vertraute Stimme hörte, entspannte sie sich. Jetzt würde alles gut werden. Alice war sicher, dass ihr Vorhaben nun kurz vor der Vollendung stand. Lange musste sie nicht mehr auf die Erfüllung ihrer schönsten Träume warten.
    Aber sie irrte sich.
    Kaum
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