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Wir Ausgebrannten

Wir Ausgebrannten

Titel: Wir Ausgebrannten
Autoren: Hilmar Klute
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solchen Gewissenspredigern ist nicht, dass sie Gewissen predigen. An Gewissen mag es in unserer Welt durchaus mangeln und auch am Bewusstsein für die Zusammenhänge zwischen kapitalistischer Gewinnsucht und der Ausbeutung von Dritte-Welt-Ländern. Das Erschreckende, mitunter ein bisschen Widerwärtige an diesen Zeigefinger-Sirenen ist ihr Hang zur Diffamierung jener, die sich nicht der quasireligiösen Selbstdisziplinierung zugunsten der Weltrettung verschrieben haben. Eine dieser keifenden Kassandras ist die Blog- und Buchautorin Kathrin Hartmann. Wenn man sich in ihrem Blog Ende der Märchenstunde umsieht, gewinnt man sehr schnell den Eindruck, dass einer in dieser Gesellschaft grundsätzlich ein Ausbeuter bleibt, selbst wenn er sich jeden Nachmittag unter einen Birnbaum legen und warten würde, dass die reifen Früchte freiwillig, also zwanglos und mehr oder weniger selbstbestimmt herunterfallen. Die Bloggerin gehört zu jenen immer zahlreicher werdenden Salonökologen und selbst ernannten Abmahnungsautoritäten, die von ihrer eigenen Bequemlichkeit und Saturiertheit derart angewidert sind, dass sie ihren Selbstekel auf all jene projizieren, die nicht jeden Tag mit einem schlechten Gewissen gefoltert sind, weil sie einen Lammbraten essen. Es ist auch vollkommen gleichgültig, wie sehr sich Menschen bemühen, seien es umweltbewusste Geschäftsleute oder Familien, die schauen, dass sie möglichst wenig Treibhausgase ausstoßen – diese Weltverbesserer senken grundsätzlich den Daumen, weil es in diesem Land einfach immer noch nicht gelungen ist, den ökologisch-sozialen Übermenschen zu züchten, welcher dem strengen Maßstab der Nachhaltigkeitspriester gerecht wird. Ein schönes Beispiel ihrer grotesken moralischen Überkonditionierung gibt Hartmann selbst in ihrem aufschlussreichen Blog: »Gerade habe ich zwei Päckchen voll korrekten mexikanischen Rebellen-Kaffee erhalten, die ich online bestellt habe. Geliefert wurde mir das Paket ausgerechnet von DPD, einem Paketzusteller mit miesen Arbeitsbedingungen und katastrophalen Löhnen für Kurierfahrer. Das bringt jetzt meine Hauptthese ziemlich genau auf den Punkt: Es gibt kein richtiges Einkaufen im falschen Wirtschaftssystem.« Zur Erinnerung: Die Autorin spricht vom selben Wirtschaftssystem, das es ihr ermöglicht, diesen Blog zu unterhalten und ihre Bücher zu vermarkten und zu verkaufen. Es ist diese unauflösbare Verlogenheit, welche derartige Äußerungen einerseits so nervend, andererseits so unglaubwürdig macht.
    Der Puritanismus der Moralpolizisten speist sich aus dem Empfinden, nun an einem Punkt angelangt zu sein, an welchem wir nicht mehr so leben dürfen wie gewohnt. Die Globalisierung hat unsere Welt nicht unbedingt in die Krisen gejagt, mit denen wir heute zu kämpfen haben. Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Zerstörung von Naturreservaten hat es auch schon vorher gegeben. Nur das Bewusstsein um diese Dinge gab es eben nicht so deutlich wie in unseren Tagen. Die restriktiven Mahntiraden der selbst ernannten Weltenretter erinnern an die Prämissen radikaler Religions- und Sektenführer. Es ist die knochenfingrige Warnung vor Armageddon, die menetekelhafte Sage vom Ausbrennen der sündigen Leiber in der Hölle des Jüngsten Tages. Viele Jahrzehnte haben wir, ohne Widerspruch zu ernten, darauf bestanden, den Wohlstand, der in unserem Land herrscht, auch zu genießen. Es galt die Regel, dass Menschen, die arbeiten, auch in Urlaub fahren dürfen, dass sie essen und trinken dürfen, was sie wollen, dass sie ungesund leben dürfen, wenn es ihnen Spaß macht. Denn das ungesunde Leben ist ein Freiheitsrecht. Jeder darf mit seinem Leben das tun, was er für richtig hält. Nun gelten all diese Privilegien als unmoralisch oder wenigstens als schmutzig. Wer den Genuss lebt, beleidigt diejenigen, die sich tagtäglich Sorgen um den Regenwald machen müssen. Wer öffentlich raucht, beschmutzt das Anstandsempfinden derer, die nicht rauchen. Und wer in einer U-Bahn eine Flasche Bier aufmacht, wird misstrauisch angeschaut, als treibe er ein Teufelswerk, dessen Anblick einen bewusst und gesund lebenden Menschen bereits verhext. Wir müssen aufpassen, dass diese freudlosen Unlustpropheten uns nicht mürbe machen mit ihrer anmaßenden Art, uns das richtige Leben zu lehren.

MUT ZUM HEDONISMUS
    Denn es ist ja wahr: Seit einiger Zeit wissen wir eigentlich gar nicht mehr so genau, wie wir richtig leben sollen. Besser gesagt: Wir sind unsicher geworden, ob wir so leben
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