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Winterreise

Winterreise

Titel: Winterreise
Autoren: Gerhard Roth
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schwarz bemalter Dampfer tauchte im Nebel auf, der vor San Marco vor Anker lag. Das Vaporetto brummte an einem Park mit Statuen und Pinien und Zypressen entlang, dann machte es eine Wendung und fuhr ins offene Meer hinaus.
57
    In der Kälte stand Nagl jetzt allein auf dem Vorderdeck, da Anna sich in die Kabine gesetzt hatte, ein Tropfen hing an seiner Nase. Es war ihm, als durchpflügte er etwas Neues. Als sie die Anlegestelle verließen, prasselte Regen auf sie. Sie stellten sich unter ein Glasdach, unter dem aufgestapelte Gartensessel und runde Tische grün schimmerten. Daneben war ein Geschäft, dessen Scheiben weiß gestrichen waren. Die Eingangstür war mit Papier verklebt, und das Papier hing in Fetzen herunter. Er wollte nicht mehr zurück in das Leben, in einen Staat, der für ihn sorgte und dafür Arbeit, die nichts mit ihm zu tun hatte, von ihm verlangte. Die Menschen sehnten sich nach Arbeit, nicht weil sie die Arbeit liebten, sondern weil sie sonst ausgestoßen waren und das Ausgestoßensein nicht ertrugen, dachte er. Er vertraute sich dem an, was mit ihm geschehen würde. Sein Großvater hatte sich als Heizer nach einem neuen Staat gesehnt, in dem er nicht nur Nichts sein würde, aber die Wirklichkeit hatte aus seiner Hoffnung das gemacht, was aus allen Wünschen wird. Nicht das Unvollkommene daran war es, was Nagl abstieß, sondern das Ausweglose, das dadurch entstanden war. Hinter den Badekabinen auf der anderen Seite der Straße hörten sie das rhythmisch rauschende Meer. Sie gingen zu den ausrollenden Wellen mit Schaumkronen hinunter, in die eine Betonmauer mit einem Drahtzaun weit hinauslief. Der Himmel und das Meer berührten sich an einem dünnen Streifen. Ein Kind mit einem gelben Regenmantel fuhr auf der Promenade, blieb stehen, stülpte sich die Jeans hoch, während das Fahrrad an einer Steinbank lehnte, und fuhr dann weiter. Auf der Meeresseite lag das Strandcafe mit den durchbrochenen Holzwänden, der Terrasse und dem Holzgitter, und dahinter ragten die Fahnenmasten nackt und einsam in den Himmel. Nagl war, als könnte er alles verstehen. Es hatte ihm nichts geschehen können, aber dafür war ihm nur der tägliche Gang in die Schule geblieben, der Lehrstoff, mit dem er zu Rande kommen und den er den Kindern hatte beibringen müssen. Daneben hatte er ein Leben voll Heimlichkeiten geführt, die Frau eines anderen Mannes geliebt, getrunken, bis er bewußtlos in das Bett gefallen war, um am nächsten Tag pünktlich aufzustehen und der Arbeit nachzugehen. Er hatte sich nichts anmerken lassen dürfen. Nagl hatte kein Verlangen nach seinem geheimen Leben, er glaubte nur, daß es ein Ausgleich für das Leben war, welches er nach außen hin führte. Eine Amsel mit gelbem Schnabel saß auf einem weißen Holztor, hinter dem sich ein Palmengarten erstreckte. Nagl dachte an den Gendarmen. Er, Nagl. der Verursacher seines Schmerzes, war auch der einzige Vertraute des Gendarmen gewesen, vor dem dieser seine Gefühle nicht hatte verstecken müssen. Er küßte Annas kaltes Gesicht, fühlte ihren warmen Mund und war voll Erinnerungen.
58
    Ihre Mäntel waren durchnäßt, als sie in das Hotelzimmer zurückkamen. Sie ließen sich vom Kellner eine Flasche Grappa auf das Zimmer bringen und entkleideten sich. Die Grappa schmeckte scharf und wunderbar. Sie hatten noch nichts zu Abend gegessen, aber das Zimmer war warm und sie krochen unter die Decke und liebten sich. Von draußen hörten sie den Regen. Anna ließ heißes Wasser in die Badewanne laufen, die Strümpfe und ihre Unterwäsche hingen von den Handtuchhaltern und über den Sessellehnen. Anna saß auf dem Rand der Badewanne. Während sie gähnte, streichelte sie versonnen ihre schönen weißen Beine. Sie küßte ihn und da sie die Augen offenhielten, sahen sie ganz groß ihre dunklen Pupillen.
     
    Sie setzten sich in die Badewanne, und er griff zärtlich zwischen ihre Beine. Die Seife war naß, und Nagl ließ sie in ihrem Loch verschwinden und drückte gegen ihren Bauch, daß sie wieder herausrutschte. Sie tranken die Flasche leer. Anna begann sein Glied zu reiben, bis es steif war, dann setzte sie sich auf ihn und fickte ihn im glucksenden Wasser. Es war unbequem, aber sie waren so verrückt danach, sich zu lieben, daß sie sich immer schneller bewegten. Ihr Haar war in das Gesicht gefallen und ihre Hände preßten sich um den Wasserhahn, daß Nagl die weißen Fingerknöchel sah. Er bat sie, sich umzudrehen und sich vor ihn hinzuknien. Sie waren halb aus
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