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Wintermörder - Roman

Titel: Wintermörder - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Lächeln in seinem Gesicht: Er war der Mann, der in ihr Leben eingedrungen war, der die Vergangenheit hervorgezerrt, der ihre Familie bedroht, der ihr Frederik genommen hatte. Denise begriff, dass alles sein Plan gewesen war.
    »Du hast deine Aufgabe gut gemacht.« Dieses Lächeln. Sie wollte es ihm aus dem Gesicht schlagen. »Besser als dieser Journalist. Ich hätte doch dich anrufen sollen, nicht ihn.«
    Seine Hand tauchte das Tuch erneut ins Wasser.
    »Von wem sprechen Sie?«
    »Das wissen Sie nicht? Dass einer den Helden spielen wollte? Nicht für mich oder meine Mutter. Nur für sich. Für seinen eigenen kleinen Erfolg. Widerlich«, sagte er und nahm die Haarbürste vom Tisch.»Einfach widerlich.«
    Langsam und sorgfältig kämmte er die Haare seiner Mutter.
    Denise schloss die Augen.
    »Frederik«, sagte Matecki bestimmt, »hol Wasser.«
    Denise sah, wie ihr Sohn aufsprang. »Nein!« Sie hielt ihn an der Schulter zurück.
    »Aber sie hat Durst, Mama«, antwortete Frederik, machte sich los und verschwand aus dem Zimmer.
    »Warum?«, fragte sie.
    »Manchmal muss man selbst für Gerechtigkeit sorgen«, antwortete er.
    »Welche Gerechtigkeit? Was hat Frederik getan, dass er büßen muss, was habe ich getan, dass ich schuld sein soll?«
    »Manchmal heißt, nichts zu tun, sich schuldig machen.«
    »Das ist nicht wahr«, schrie Denise. »Es ist nicht wahr.«
    Er schaute sie nur an.
    »Warum haben Sie so lange gewartet?«, fragte Denise. »Warum nach so vielen Jahren? Was hilft es Ihrer Mutter jetzt noch, dass Sie mein Leben zerstören?«
    »Jedes Leben hat das Recht auf einen Abschluss. Ein Leben wie das meiner Mutter sollte nicht ungehört zu Ende gehen. Ich habe deiner Großmutter immer wieder die Gelegenheit gegeben, Wiedergutmachung zu leisten. Doch sie hat sich geweigert. Aber die Geschichte muss irgendwann unterbrochen werden.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Warum seid ihr nach Krakau zurückgekehrt? Warum konntet ihr nicht aufhören?«
    »Ich verstehe Sie nicht.«
    »Ist das wirklich so schwer zu verstehen? Als ich damals in der Zeitung das Foto gesehen habe von dir, deinem Mann und Frederik, wie ihr alle mit dem Bürgermeister auf dem Wawel standet, was glaubst du, was ich da dachte? Dass das in Ordnung ist? Dass ihr hierher zurückkehren könnt, als sei nichts gewesen? Dass ihr hier in meine Stadt kommt und euer Siegel hinterlasst?«
    »Haben Sie es deshalb angezündet?«
    »Was hätte ich sonst tun sollen? Es schweigend erdulden? So hättet ihr uns gerne, oder? Doch mit euch Geschäfte zu machen, heißt immer, den Pakt mit einem Teufel zu schließen. Es wurde Zeit, ihn zu beenden, diesen Kreislauf aus Lügen, Macht, Unterdrückung und Verbrechen.«
    »Hätten Sie mir Ihre Geschichte erzählt, ich hätte bezahlt.«
    In seinen Ausdruck stand ein Ausdruck, den sie nicht interpretieren konnte. Trauer? Verbitterung? Zorn?
    »Geld. Geld. Es geht nicht um Geld. Und meine Mutter hätte es auch nicht genommen, dein …« Er stockte. »Sie wollte kein
Blutgeld
, wie sie es nannte. Kein Geld könne wiedergutmachen, dass man ihr das Leben gestohlen hatte. Stattdessen hoffte sie, dass
die Frau
, so nannte sie deine Großmutter, dass die Frau in ihrem Innersten zerfressen wurde. Wenn ich Hass empfand, dann sagte sie: ›Stell dir Maden in ihrem Innern vor. Läuse. Kakerlaken. Sie sitzen in ihr und fressen sie auf.‹ ›Aber sie lebt<, habe ich dann immer geantwortet. Aber meine Mutter war der Überzeugung, dass solche Menschen nur existieren.«
    »Aber warum ist das dann alles geschehen?«
    Sein Blick wurde hart.
    »Verstehst du das nicht? Weißt du nicht, wie das ist, wenn alles zusammenkommt? Meine Tochter arbeitet in Frankfurt und wischt alten Nazis den Hintern ab, und meine Mutter soll in einem Altersheim dahinvegetieren? Immer wieder hat sie von diesem Kind geredet.«
    Sie wollte nichts mehr hören, nichts mehr fragen, weil sie nicht noch mehr erfahren wollte. Es war genug.
    »Es ist nicht Frederiks Schuld«, sagte Denise.
    »Meine auch nicht«, antwortete er. »Aber meine Mutter wollte ihn sehen.«
    Diese alte Frau in ihrem Bett sollte ihren Willen dazu geäußert haben? Sie sollte gewollt haben, dass Frederik vor der Haustür verschleppt wurde? Wie sehr musste sie hassen, dass sie das einem Kind antat. Einer Mutter. Ihr, Denise. Ja, sie hatte immer geahnt, dass ihre Großeltern es mit den Nazis gehalten hatten. Nichts, was sich auf Tatsachen stützte. Einfach nur eine Ahnung. Ein Gefühl. Doch seit wann war Schuld
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