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63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

Titel: 63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
Autoren: Karl May
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ERSTES KAPITEL
    Die verletzte Hand
    Leda nahm eine Droschke und ließ sich nach der Wohnung des Claqueurs fahren. Er hatte ein ganzes Haus inne, welches in Beziehung auf den Reichtum der Ausstattung mit manch adeligem Sitz wetteiferte. Der Kenner jedoch bemerkte sofort, daß dies freilich eben nur in Beziehung auf den Reichtum stattfand. Stil, Symmetrie, künstlerisches Ausmaß gab es nicht.
    Leda gab einem befrackten Diener ihre Karte ab und wurde dann vorgelassen.
    Sie fand den einflußreichen Herrn in einer Chaiselongue liegen, eine duftende Zigarre zwischen den in den feinsten Glacehandschuhen steckenden Fingern. Sie verbeugte sich tief. Er schob das goldene Lorgnon prätentiös auf die Nase, musterte sie vom Kopf bis zu den Füßen herab und sagte dann:
    „Mademoiselle wünschen?“
    „Ihren Schutz, Herr Baron.“
    Er kniff das eine Auge wohlgefällig zusammen, geruhte das eine Bein von der Chaiselongue herabgleiten zu lassen, und fuhr fort:
    „Man hat Sie an mich gewiesen?“
    „Nein.“
    „Sie kommen also aus eigener Intention?“
    „Gewiß. Ich habe zuwenig Selbstbewußtsein, um mir einzubilden, daß ich mir meinen Weg hier ohne Ihre gütige Beihilfe bahnen könnte.“
    Da schob er auch das andere Bein von der Chaiselongue herab, richtete den Oberkörper in die Höhe, rückte ihr lächelnd zu und sagte:
    „Das freut mich. Ein solches Berücksichtigen der hiesigen Verhältnisse kann Ihnen nur Sympathie erwerben. Wünschen Sie die Angelegenheit geschäftlich geordnet, Mademoiselle?“
    Er warf ihr dabei einen bezeichnenden, lüsternen Blick zu. Sie zog es vor, sich so zu stellen, als ob sie ihn nicht verstehe, und antwortete:
    „Wie sonst? Gäbe es eine andere Art und Weise, als die rein geschäftliche?“
    „Gewiß.“
    „Ich kann sie mir nicht denken.“
    „Oh. Mademoiselle, dann mache ich Ihnen mein Kompliment. Es finden sich außerordentlich wenig Damen vom Corps de Ballet, welche sich derselben Unkenntnis rühmen können. Wo haben Sie Ihre Ausbildung erhalten?“
    „In Paris.“
    „Ah, bitte, nehmen Sie doch neben mir Platz! Also in Paris machten Sie Ihre künstlerischen Studien! Paris ist die Stadt der Liebenswürdigkeit, der Vorurteilslosigkeit. Wie kommt es da, daß Sie noch so unerfahren sind, mein schönes Kind?“
    „Unerfahren?“
    „Gewiß! Sonst müßten Sie ja wissen, daß man sich auch auf außergeschäftliche Weise eines trefflichen Beifalls versichern kann.“
    „Mama ist sehr streng!“
    „Ach so! Ihre Mutter befand sich mit in Paris?“
    „Ja.“
    „Ist sie auch mit hier?“
    „Sie liebt mich so sehr, daß sie stets bei mir ist und mich auch nie verlassen wird.“
    „Das glaube ich Ihnen gern. Wer sollte eine so interessante Dame nicht lieben! Die Mutter natürlich vor allen Dingen! Doch um bei unserer Angelegenheit zu bleiben: Sie wünschen also in Geschäftsbeziehung zu mir zu treten?“
    „Ja. Herr Baron.“
    „Darf ich um Ihre Adresse bitten?“
    „Hotel Kronprinz. Privatwohnung könnte ich natürlich erst nehmen, wenn ich das Glück hätte, engagiert zu sein.“
    „Natürlich! Nun, wir wollen sehen, wie sich das arrangieren läßt, Mademoiselle. Ich höre, daß Sie zunächst als ‚Königin der Nacht‘ auftreten?“
    „Die Intendanz hat diese Verfügung getroffen.“
    „Sie sind Ihrer Rolle sicher?“
    „Vollständig.“
    „Nun, wenn Sie es wünschen, werde ich auch die meinige mit Effekt in die Hand nehmen.“
    Er ergriff, da sie sich wirklich neben ihm niedergesetzt hatte, ihre Hand und drückte einen Kuß auf dieselbe.
    „Halten Sie vielleicht diese meine Hand für Ihre Rolle, Herr Baron?“ fragte sie mit gut gespielter mädchenhafter Schamhaftigkeit.
    „Warum denn nicht? Lieber noch würde ich Ihre Lippen substituieren.“
    Dabei legte er den Arm um sie und wollte sie an sich ziehen.
    „Herr Baron!“ warnte sie, sich sträubend.
    „Ist es verboten, aufmerksam gegen Sie zu sein?“
    „Sollte dies nicht mehr sein als aufmerksam?“
    „Nein, nicht mehr. Sie geben doch zu, daß ich meine Klientinnen genau kennen muß?“
    „Gewiß.“
    „Ich muß auch wissen, ob sie liebenswürdig sind!“
    „Wirklich?“
    „Ja. Nicht bloß liebenswürdig, sondern auch nachgiebig!“
    „Ah!“
    „Oder vielmehr hingebend!“
    „Sie sind sehr anspruchsvoll!“
    „Heißt das, zuviel verlangt?“
    „Vielleicht.“
    „Nun, fürs erste möchte ich nur wissen, wie sich Ihre schönen, roten Lippen küssen lassen.“
    „Das weiß ich selbst noch nicht.“
    „Ist
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