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Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Titel: Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)
Autoren: Jennifer McMahon
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uns allein«, fauchte sie und drückte das tote Kind noch fester an ihre Brust. Ihre Augen waren kalt und voller Angst wie bei einem wahnsinnigen Tier.
    Schließlich mussten Dr. Stewart und Lucius kommen und ihr etwas zur Beruhigung einflößen. Erst als sie schlief, gelang es ihnen, ihr den Säugling aus den Armen zu nehmen.
    Martin war der Ansicht, dass der Hof schuld am Tod ihrer Kleinen war – die einhundertneunzig Morgen Land, die Sara geerbt hatte. Mit Ausnahme ihrer älteren Schwester Constance, die geheiratet hatte und nach Graniteville gezogen war, war Sara die einzige noch lebende Harrison. Er machte die felsige Erde und die unfruchtbaren Böden, auf denen einfach nichts gedeihen wollte, verantwortlich. Das nach Schwefel schmeckende Wasser. Es war, als wehre sich das Land gegen alles Lebendige.
    Martin stapfte über den Acker in östlicher Richtung, der aufgehenden Sonne entgegen. Er hatte sich Schneeschuhe aus Bugholz und Rohleder untergeschnallt. Sein Atem stieg in kleinen Wolken in die Luft. Seine Füße waren klamm und kalt, die Schuhe bereits durchnässt. Die Fuchsspur führte in schnurgerader Linie durch den alten Obstgarten, den Saras Vater angelegt hatte. Die Bäume waren nicht beschnitten, und die wenigen Äpfel und Birnen, die an ihnen wuchsen, waren holzig, wurmstichig und von Mehltau befallen.
    Mittlerweile wären Sara und Gertie gewiss aufgestanden und fragten sich, wo er blieb. Eine Kanne mit frisch gebrühtem Kaffee stünde bereit, das Brot wäre im Ofen. Doch zuvor musste er noch den Fuchs zur Strecke bringen. Er musste seiner Frau und seiner Tochter beweisen, dass er in der Lage war, sie zu beschützen – dass er jedes Geschöpf, das ihren Lebensunterhalt bedrohte, töten würde. Er malte sich aus, wie er Sara das Fell überreichte. Sie war geschickt im Umgang mit Tierhäuten, Nadel und Faden. Sie konnte der kleinen Gertie daraus eine warme Mütze nähen.
    Martin lehnte sich gegen einen krumm gewachsenen Apfelbaum, um zu verschnaufen. Das Schneetreiben behinderte die Sicht, so dass er sich seltsam orientierungslos fühlte. In welcher Richtung lag das Haus?
    Er hörte etwas hinter sich – das leise Knirschen rascher Schritte im Schnee.
    Er fuhr herum. Da war niemand, nur der Wind. Er biss sich auf die Lippe und berührte den warmen Ring in seiner Tasche.
    Nicht weit vor ihm bewegte sich einer der verkrüppelten alten Apfelbäume. Mit zusammengekniffenen Augen spähte er durch das Schneegestöber und erkannte, dass es gar kein Baum war, sondern eine gebeugte alte Frau. Sie war in Tierfelle gehüllt, ihr Haar war verfilzt und sah aus wie ein Nest voller Schlangen.
    »Hallo?«, rief er.
    Sie drehte sich um, sah Martin an und lächelte, wobei sie braune spitze Zähne entblößte. Martin blinzelte, und schon stand dort wieder nur ein Baum, der unter seiner schweren Schneelast sanft hin und her schwankte.
    Hinter demselben Baum kam plötzlich der Fuchs hervorgesprungen, ein halb aufgefressenes Huhn im Maul. Er blieb wie angewurzelt stehen und beäugte Martin mit flackernden goldenen Augen. Martin hielt den Atem an, nahm die Flinte hoch und zielte auf den Fuchs, der ihn weiterhin beobachtete. Seine Augen waren wie kleine Ringe aus Feuer.
    Ihre Blicke trafen sich, und in diesen zwei Sekunden waren es nicht die ausdruckslosen Augen eines Tieres, die ihn ansahen, sondern Saras Augen.
    Martin Shea, du bist der, den ich einmal heiraten werde.
    Eines Tages werden wir ein kleines Mädchen haben.
    Martin blinzelte, um das Bild loszuwerden – er hatte es hier nicht mit einem Fuchs aus dem Märchen zu tun, einem gerissenen Übeltäter und Betrüger. Seine Phantasie ging mit ihm durch, die Folge einer mit Büchern verbrachten Kindheit.
    Das Tier, nun wieder ein ganz gewöhnlicher Fuchs mit gewöhnlichen Augen, wandte sich um, ließ das Huhn fallen und sprang davon, gerade als Martin abdrückte.
    »Verflucht!«, schimpfte Martin, als er merkte, dass er das Tier verfehlt hatte.
    Er eilte dem Fuchs nach und entdeckte frisches Blut am Boden. Er musste das Tier also doch getroffen haben. Martin bückte sich und berührte mit den Fingerspitzen die Fährte im Schnee. Als er die Finger zurückzog, waren sie blutig. Er hob sie an die Lippen und kostete. Der strenge, salzige Geschmack ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Die Flinte im Anschlag, folgte er der Spur durch den Obstgarten, hinauf über den felsigen Kamm, an der Teufelshand vorbei und in die Tiefe des dahinterliegenden Waldes hinein. Er war nicht
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