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Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten
Autoren: Jeanine Krock
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neuen Freund. »Aber sag, was hältst du von Brandubh?«
    Weil ich nicht wusste, wie ich ihm die eigenartige Vertrautheit erklären sollte, die mich mit dem Pferd zu verbinden schien, stieg ich wortlos durch den Holzzaun in die Koppel.
    Angus sog scharf die Luft ein, doch ich achtete nicht auf ihn. Der Rappe hatte den Apfel inzwischen aufgefressen. Aufmerksam sah er mich an und bewegte sich nicht. Nach einer Weile senkte er den Kopf, streckte den Hals ganz lang und schnüffelte an meiner Hosentasche.
    Ich strich über sein samtiges Ohr und flüsterte: »Verrat mir dein Geheimnis, du schwarzer Teufel.«
    Er hob den Kopf wieder, sah mich mit intelligent blickenden Augen an, schnaubte und schien dabei zu nicken.
    »Bemerkenswert«, murmelte Angus.
    Als ich wieder auf seine Seite des Gatters zurückkehrte, wieherte das Pferd auffordernd, kam aber nicht näher. Angus’ Frage hing noch in der Luft, und so sagte ich schließlich: »Erst habe ich gedacht, er könnte spanischer Abstammung sein, aber mit diesen kleinen, festen Hufen und seiner Nase ist es wahrscheinlicher, dass er eine Kreuzung aus Berber-Vollblut und einer einheimischen Rasse ist.«
    »Sehr gut.« Angus klopfte mir auf die Schulter. »Du verstehst
etwas von Pferden. Möchtest du gemeinsam mit mir an ihm arbeiten?«
    Und ob ich Lust hatte. »Was fehlt ihm denn?«, fragte ich dennoch vorsichtig.
    »Nichts.« Die Antwort kam blitzschnell.
    Das allein sagte schon eine Menge aus. Die tiefen Linien, die sich um Angus’ Mund gebildet hatten, verrieten mir noch mehr. Ich schloss kurz die Augen und versuchte tief in mich hineinzufühlen, diese Ebene zu erreichen, die ich bereits vor vielen Jahren endgültig verschlossen hatte. »Er ist misshandelt worden.« Ich konnte die Schläge spüren, die das Tier hatte ertragen müssen, als hätten sie mir gegolten.
    »Sir Iain hat ihn mitgebracht. Ich soll ihn wieder in Ordnung bringen, hat er gesagt.« Angus verstummte und schien seinen Gedanken nachzuhängen. Plötzlich blies er die Atemluft geräuschvoll aus und klang dabei nicht viel anders als eines der Pferde. »Er ist sonst wirklich in Ordnung.«
    Ganz sicher war ich nicht, ob er das Pferd oder Sir Iain meinte. Doch das war mir auch gleich. Hier war sie, die Herausforderung, die sinnvolle Aufgabe, nach der sich ein Teil von mir schon so lange gesehnt hatte. Ohne weiter zu überlegen, sagte ich zu.
    »Dann pass gut auf, Mädchen.« Angus wechselte ins Gälische, als wäre es selbstverständlich, dass ich ihn verstehen müsste, und stieg zwischen den Holzbalken hindurch in das Gatter. »Siehst du den Zirkel, den wir dort aufgebaut haben?« Er winkte mir zu. »Komm herein, komm herein. Ich möchte sehen, ob es dir gelingt, Brandubh dort hineinzubringen.«
    Zuversichtlich, dass das Pferd mir vertrauen würde wie beim ersten Mal, lockte ich mit leiser Stimme: »Komm, mein Schöner. Lass uns spielen …«

    Ob es an meiner Stimme lag oder an der selbstbewussteren Körperhaltung, kann ich nicht sagen. Brandubh jedenfalls hob den Kopf und sah mich einen Augenblick lang zweifelnd an. Plötzlich wieherte er laut, machte auf der Hinterhand kehrt und galoppierte den Hügel hinab. Weiter unten warf er sich herum und sah zu uns hinauf. Wäre er ein Hund gewesen, ich hätte es als Spielaufforderung verstanden, doch bei einem Fluchttier bedeutete dieses Verhalten etwas anderes. Fragend sah ich zu Angus, der nur mit den Schultern zuckte, als wollte er sagen: »So ist er eben.«
    »Und nun?«, fragte ich ein wenig hilflos.
    »Wenn du ihn im Zirkel hast, machen wir weiter.«
    Damit ließ auch er mich stehen, und ich kam mir ziemlich blöd vor.
     
    Es kostete mich einen Monatsvorrat Äpfel und mehr Geduld, als ich jemals für möglich gehalten hatte, bis ich nach fünf Tagen endlich so weit war, dass Brandubh mir bis zum Trainingszirkel folgte. Gerade als ich vorweggehen wollte, um ihn hereinzulocken, gab es einen fürchterlichen Knall, und weg war er. »Verdammte Idioten!«, brüllte ich den beiden Militärjets hinterher, die grollend in den Wolken über dem Meer verschwanden.
    Brandubh war nicht mehr zu sehen, aber ich hatte das Gefühl, dass er mich aus dem Wäldchen heraus beobachtete, an dessen Saum er häufig Zuflucht suchte. Gut sichtbar legte ich einen Apfel in den Kreis und ging fort, ohne mich noch einmal umzudrehen. Dabei wäre ich vor Neugier beinahe geplatzt: Würde er kommen und sich die Leckerei holen?
    Am nächsten Tag war sie jedenfalls fort, und ich nahm dies
als gutes
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