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Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Titel: Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt
Autoren: Juergen Kehrer
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umschauen.«
    Wir stritten noch eine Weile herum, aber schließlich gab Sigi nach. Der alten Zeiten wegen, wie sie sagte. Ich schluckte die Bemerkung hinunter, dass ich es in den alten Zeiten nicht nötig gehabt hätte, um ein paar Wochen Urlaub zu betteln.
    Zwischen dem Büro der Security Check und dem Büro der Stadtkämmerin lagen nur ungefähr hundert Meter Luftlinie. Ich überquerte den Prinzipalmarkt, bog um zwei Ecken, stieg die luftige Treppe des im quadratisch-praktisch-langweiligen 60er-Jahre-Stils erbauten Stadthauses hoch – und schon stand ich in ihrem Vorzimmer.
    »Frau Rausch hat eine Besprechung mit ihrem Referenten«, eröffnete mir die Sekretärin.
    Ich hätte mir noch einen Termin bei meinem Zahnarzt geben lassen sollen, so sehr gewöhnte ich mich bereits an das Herumsitzen in Vorzimmern. Wo pflegten sich eigentlich Leibwächter aufzuhalten, wenn es nichts zu leibwächtern gab? Eine Frage, die wir in unserem Detektiv-Fernstudium nicht durchgenommen hatten.
    Eine Viertelstunde später – mir war gerade eingefallen, dass ich noch eine spiegelnde Sonnenbrille kaufen musste – stürmte ein dynamischer Jüngling aus dem Büro der Kämmerin. Er trug eine teure Kaschmir-Jacke neben den obligatorischen Jeans, rote Bäckchen und eine verwegen geföhnte Frisur. Bei meinem Anblick stockte er nur kurz und rannte dann wortlos weiter. Kein Zweifel, er hatte sofort erkannt, dass ich nicht zu den tausend wichtigsten Persönlichkeiten Münsters zählte.
    »Und?«, begrüßte mich Jutta Rausch formlos. Heute war sie in ein beiges Managerinnen-Kostüm gewandet, das gut zu ihrem nussholzgetäfelten Arbeitszimmer passte.
    »Ich bin bereit.«
    »Schön.« Sie wirkte fahrig und unkonzentriert. »Entschuldigen Sie, aber ich habe gleich eine Dezernentensitzung. Deshalb in aller Kürze das Wichtigste …« Sie wühlte auf ihrem Chefschreibtisch. »Hier ist der Name des Beamten, an den Sie sich im Polizeipräsidium wenden sollen: Kommissar Knellbusch. Er wird Ihnen einen Waffenschein, Pistole und so weiter besorgen. Heute Abend ist eine Mitgliederversammlung der Grünen. Ich bleibe bis neunzehn Uhr im Büro und fahre dann direkt dorthin. Haupttagesordnungspunkt ist das Kappenstein-Projekt. Es reicht, wenn Sie um Viertel vor sieben hier sind. Ach ja, und bringen Sie gleich Ihre Sachen mit, Zahnbürste und was Sie sonst noch brauchen.«
    »Ich soll bei Ihnen übernachten?«, fragte ich überrascht.
    Zum ersten Mal schaute sie mich länger als eine Zehntelsekunde an. »Was dachten Sie denn? Nachts bin ich doch am meisten gefährdet. Ich wohne allein, mein Mann hat unsere Wohnung in Paderborn behalten.« Sie lächelte kurz. »Keine Angst, ich werde Sie nicht vernaschen.«
    Mir fiel auf, dass ich nicht allzu viel über sie wusste. »Leben Sie getrennt von Ihrem Mann?«
    »In der Woche, ja. Ach so, Sie denken … Nein, die Grünen haben mich erst vor einem halben Jahr nach Münster geholt. Davor war ich Beigeordnete in Paderborn. Mein Mann arbeitet immer noch in Detmold, und er hängt an seinem Beruf. Von daher haben wir uns entschlossen, zwei Wohnungen zu mieten. Das ist zwar ein bisschen teuer, aber wir können es uns ja leisten.«
    »Kinder?«
    »Nein. Am Wochenende fahre ich nach Paderborn, oder mein Mann kommt nach Münster. Dann haben Sie übrigens frei.«
    »Sehr erfreulich.«
    »Nicht wahr?« Sie sortierte einen Stapel Akten. »Jetzt muss ich aber wirklich …«
    »Eine Frage noch: Der junge Mann, der aus Ihrem Büro kam …«
    »Axel Feldhaus, mein persönlicher Referent. Ich habe ihn aus Paderborn mitgebracht.«
    »Sie vertrauen ihm?«
    »Absolut. Er arbeitet seit drei Jahren für mich. Er betet mich an.«
    »Platonisch?«
    Das Telefon klingelte. »Sie haben eine schmutzige Fantasie, Herr Wilsberg.« Sie schnappte sich den Hörer: »Ich komme.« Und zu mir: »Ich erwarte Sie um Viertel vor sieben. Pünktlich. Ich hasse Unpünktlichkeit.«
    Ich fuhr zum Polizeipräsidium am Friesenring und fragte mich zu Kommissar Knellbusch durch. Der hatte sofort Zeit für mich, was darauf schließen ließ, dass er eine ruhige Kugel schob. Er sah auch aus wie eine, als zusätzliche Attraktion hatte er sich ein kaum verbreitertes Hitler-Bärtchen wachsen lassen. Die Krawatte, die an seinem qualligen Kopfansatz baumelte, leuchtete schwarzrotgelb.
    »Dass wir uns richtig verstehen«, polterte er sofort los, »wenn es nach mir ginge, würden Sie von uns keine Pistole kriegen. Wir sind doch nicht dazu da, um die Leibgarden von
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