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Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Titel: Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt
Autoren: Juergen Kehrer
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vier Ohren.«
    »Aha.« Mit einem Spritzer Sojasoße schmeckte der Meerrettich ausgezeichnet. »Lassen Sie mich raten! Sie hatten heute Langeweile, und da haben Sie mit geschlossenen Augen ins Telefonbuch gegriffen. Zufällig blieb Ihr Zeigefinger auf meinem Namen liegen.«
    Sie stieß das bekannte, kehlige Lachen aus. »Ganz so war es nicht. Ich habe Erkundigungen über Sie eingezogen. Sie waren einmal ein stadtbekannter linker Anwalt.«
    »Vor dem Vietnamkrieg.«
    »Sie übertreiben. Haben Sie nicht sogar Martin Hennekamp verteidigt?«
    »Das ist richtig«, gab ich zu. »Er hatte mit einem Grasbüschel nach einem Rechtsradikalen geworfen. Der Staatsanwalt hielt das für versuchte Körperverletzung. Trotzdem muss ich Sie enttäuschen. Falls Sie einen Anwalt suchen, kann ich Ihnen nicht dienen. Man hat mir die Lizenz entzogen.«
    »Auch das ist mir bekannt. Sie haben Mandantengelder unterschlagen, nicht wahr?«
    Die Kellnerin ersetzte die leeren Tellerchen durch neue Schalen, auf denen mit Reis gefüllte Röllchen lagen. Mein kulinarisches Halbwissen langte diesmal, um in ihnen die beliebte japanische Vorspeise Sushi zu erkennen.
    »Ihr Informant versteht seine Arbeit.«
    Die Kämmerin angelte sich ein Röllchen aus der Schale. »Warum haben Sie das getan?«
    »Soll das ein Bewerbungsgespräch werden?«
    »So etwas Ähnliches, ja.«
    »Dann wüsste ich gerne, um welchen Job es sich handelt.«
    »Ich suche einen Leibwächter.«
    Ich verschluckte mich und bekam einen Hustenanfall.
    »Lachen Sie nicht! Das ist mein Ernst. Und ich möchte keinen muskelbepackten Bodyguard mit Spatzenhirn. Ich brauche einen Leibwächter, mit dem ich auch mal über Kultur und Politik reden kann. Sie sind Privatdetektiv und haben sich früher politisch engagiert. Mit anderen Worten: der ideale Anwärter für den Job.«
    Ich wackelte skeptisch mit dem Kopf. »Mein politisches Engagement ist so verbraucht wie die SPD-Kanzlerkandidaten. Je älter ich werde, desto mehr komme ich zu der Überzeugung, dass es sich beim politischen Geschäft im eigentlichen Sinn um Volksbetrug handelt.«
    Sie zog ihre schwarz gefärbten Augenbrauen in die Höhe. »Sie wollen mich nicht verstehen. Sie sollen mir ja nicht nach dem Mund reden. Es reicht mir, wenn Sie in der Lage sind, einen ZEIT-Artikel zu verstehen.«
    »Ich hab’s schon lange nicht mehr versucht. In der ZEIT gibt’s nämlich keine Sportseiten. Wozu brauchen Sie eigentlich einen Leibwächter? Haben Sie Ihren Ehemann betrogen? Sinnt er auf Rache?«
    »Ich bin Mitglied der Partei der Grünen.«
    »Seit wann ist das lebensgefährlich?«
    »Sie lesen wohl wirklich keine Zeitung?«
    »Falls Sie auf die beiden Morde anspielen – das habe ich mitgekriegt. Die Opfer waren zufällig Grüne, na und? Das heißt doch nicht, dass in Münster ein Killer herumläuft, der alle Grünen umbringen will.«
    »Nicht alle. Einige.«
    Ich forschte in ihrem Gesicht nach einer Regung. Bis jetzt hatte ich das Ganze für einen Scherz gehalten. Aber in ihren Augen war Besorgnis zu lesen, vielleicht sogar eine Spur Angst. Sie wusste etwas, das nicht in der Zeitung gestanden hatte.
    »Sagt Ihnen das Kappenstein-Projekt etwas?«
    Ich überlegte. »Der geplante Vergnügungspark im Norden Münsters.«
    »Der amerikanische Medienkonzern Global Artists möchte einen Themenpark auf die grüne Wiese setzen, ungefähr in der Mitte zwischen den münsterschen Stadtteilen Sprakel und Gelmer. Die zehn Häuser, die dort im Weg stehen, nennen sich Kappenstein. Kappenstein hat weder eine Kirche noch einen Lebensmittelladen, aber die Leute hängen natürlich an ihrer Scholle. Wie bei allen Großprojekten dieser Art gibt es Befürworter und Gegner. Das Kappenstein-Projekt ist eine gewaltige Investition, die Hunderte von Arbeitsplätzen bringt, aber auch mit mehr Verkehr, Lärm und Umweltbelastung verbunden ist. Zum Glück gibt es kein Wasserreservoir in der Nähe, und auch das Vogelschutzgebiet ist weit weg. Trotzdem sind die Umweltschützer dagegen, die Anwohner sowieso. Zu den Befürwortern zählen die CDU, die SPD, die Industrie- und Handelskammer und die Gewerkschaften.«
    »Bleiben noch die Grünen«, sagte ich. Die Kellnerin hatte inzwischen rohen Fisch aufgetischt, und meinen Teil nahmen bereits die Magensäfte in Angriff. »Lassen Sie Ihren Fisch nicht alt werden!«
    Die Kämmerin erwies sich als geschickte Stäbchenesserin, fischte einen Brocken aus der Schale und kaute unkonzentriert darauf herum. »Genau. Die Grünen sind gespalten.
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