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Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Titel: Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt
Autoren: Juergen Kehrer
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Frage, die ich mir fast jeden Tag stellte. Ich war zu alkoholgefährdet, um in Kneipen herumzustehen, zu alt, um mich in Discos herumzutreiben, und nicht reich und berühmt genug, um sexuell ausschweifende Partys auf einer Jacht im Mittelmeer zu feiern. Also hatte ich abends meistens nichts vor.
    »Nein«, sagte ich.
    »Dann würde ich Sie gerne zum Essen einladen. Im Tempel von Kyoto . Passt Ihnen zwanzig Uhr?«
    »Sie zahlen?«
    »Selbstverständlich.« Wieder dieses kurze, eigentlich ganz sympathische Lachen.
    »Dann komme ich.«
    Die Siemensstraße im Gewerbegebiet Süd würde nie in einem Reiseführer erwähnt werden, obwohl es hier eine ganze Reihe von zweckmäßigen Bauten und viele weitflächige Parkplätze gab. Das Gebäude von Network & Co und sein davor gelegener Parkplatz machten da keine Ausnahme. Ich stellte meinen Wagen ab, nickte Herrn Juventrup, dem Pförtner, zu und fuhr mit dem Aufzug in die vierte Etage, wo die Geschäftsführung residierte.
    Leider hatte ich Dr. Kaminsky, einem der beiden Geschäftsführer, wenig Erfreuliches zu berichten. Er trug Jeans und Turnschuhe, wahrscheinlich weil er dachte, dass sich das für einen Computermanager so gehört. Ansonsten besaß er so viel Ähnlichkeit mit Bill Gates wie ein Abakus mit einem Pentium-Prozessor.
    Kaminsky kraulte seinen grauen Bart: »Gestern sind schon wieder drei Platinen verschwunden. Wenn das so weitergeht …«
    »Es wird nicht so weitergehen«, beruhigte ich ihn.
    Kaminsky bewegte seinen Oberkörper nach vorne. Es sah aus, als hätte er Probleme mit der Bandscheibe. »Was bringt Sie zu der Überzeugung?«
    »Ich fühle es.«
    »Aha. Berufliche Intuition also.«
    »So könnte man es ausdrücken, Herr Doktor.«
    Er zuckte. »Nur Kaminsky, bitte! Wir sind eine moderne Firma.«
    »Okay. Also, dann mach ich mich mal an die Arbeit.«
    »Was haben Sie heute vor?«
    »Ich werde die Mitarbeiter kontrollieren, wenn sie das Gebäude verlassen.«
    »Das haben Sie doch schon vorgestern getan.«
    »Und trotzdem sind zwei Platinen gestohlen worden. Folglich werde ich heute auf Verstecke achten, die ich vorgestern übersehen habe.«
    Man konnte sehen, wie die Schaltkreise in seinem Gehirn arbeiteten. Und auch das Ergebnis war vorhersehbar: ein Anruf bei meiner Chefin mit einer gepfefferten Beschwerde über die laxe Arbeitshaltung ihres Angestellten Wilsberg.
    Es sei denn – ich würde heute Erfolg haben.
    Ich machte einen kurzen Rundgang durch die Fertigungshalle und sah zu, wie die Kult- und Statusobjekte unserer http://-@www-Gesellschaft aus billigen Metallteilen zusammengeschraubt wurden. Dann ging ich langsam zum Personalausgang. Bei einem Turnschuh-Geschäftsführer verstand es sich von selbst, dass die Mitarbeiter gleitende Arbeitszeiten hatten. Ab fünfzehn Uhr gaben die ersten ihren persönlichen Abgangscode in den Time-Controlling-Computer ein.
    Seit dem Beginn des Platinenklaus hatte sich das lockere, kreative Betriebsklima allerdings ein wenig verdüstert. Der gute Dr. Kaminsky sah sich gezwungen, auf einen geradezu archaischen kapitalistischen Brauch zurückzugreifen: er hatte zwei Sicherheitsleute eingestellt, die in ihren schwarzen Uniformen vor allem abschreckend wirken sollten.
    Ich seufzte, als ich sah, dass sich der dümmere von beiden am Ausgang postiert hatte. Sein Intelligenzquotient lag nur knapp über der Demenzgrenze, und ein Gespräch mit ihm war so interessant wie eine Dressurnummer mit Stofftieren.
    »Hallo!«, begrüßte ich ihn.
    Er warf mir einen giftigen Blick zu. »Wat wollen Sie denn hier?«
    »Was glauben Sie wohl? Den Platinendieb ausfindig machen.«
    Er stellte die Beine breit und schob den Bauch nach vorne. »Die Taschen kontrolliere ich.«
    »Keine Angst, ich mach Ihnen Ihren Job nicht streitig.«
    »Das will ich meinen.« Der rechte Daumen hakte sich in den Gürtel. Die perfekte Sheriff-Imitation.
    Da ich inzwischen sicher war, dass niemand etwas in Tragetaschen nach draußen schmuggelte, suchte ich nach raffinierteren Verstecken. Während der schwarze Sheriff mit leeren Augen die Tascheninhalte abrasterte, bat ich um das Lüften von Jacken oder tastete bauschige Hosen ab. Den Leuten auf die Pelle zu rücken, entsprach nicht meiner Idealvorstellung von Detektivarbeit, zumal ich eine Menge hämischer Bemerkungen gratis kassierte, aber, wie Jimmy Connors seinerzeit nach dem Gewinn der US-Open sagte: Der Job musste getan werden.
    Nach anderthalb Stunden kam es zu einem kleinen Fachgespräch mit meinem
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