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Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Titel: Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt
Autoren: Juergen Kehrer
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Grüner Ratsherr brutal ermordet – Zweiter Gewaltakt innerhalb von einer Woche
    (Münstersche Nachrichten – Eigener Bericht) Gestern Abend wurde der 43-jährige Studienrat und ehrenamtliche Stadtrat Martin Hennekamp auf dem ehemaligen britischen Militärgelände an der Loddenheide ermordet aufgefunden. Hennekamp hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Er ist bereits der zweite Grünenpolitiker, der einem Mordanschlag zum Opfer fiel, nachdem vor acht Tagen das Planungsausschussmitglied Berthold Dietzelbach ermordet wurde. Vermutungen, zwischen den beiden Gewalttaten könnte ein Zusammenhang bestehen, wurden vom Leiter der Mordkommission, Hauptkommissar Klaus Stürzenbecher, bestätigt: »Wir gehen davon aus, dass es sich um den selben Täter handelt.« Näheres wollte Stürzenbecher nicht sagen: »Im Hinblick auf die laufenden Ermittlungen ist es noch zu früh, über den genauen Tathergang zu sprechen.«
    Stürzenbecher verriet jedoch, dass Hennekamp mit »einem Messer oder einem messerähnlichen Gegenstand« erstochen worden ist.
    Der Planungsexperte Dietzelbach war vor einer Woche auf der Uferpromenade des Dortmund-Ems-Kanals mit einer Schnur erwürgt worden. Anschließend hatte der Täter die Leiche in den Kanal geworfen. Einziges erkennbares Verbindungsglied zwischen den beiden Opfern ist ihre Mitgliedschaft in der Grünen Partei und ihre ehrenamtliche Mitarbeit in der kommunalen Selbstverwaltung. Hauptkommissar Stürzenbecher zu unserer Zeitung: »Die Parteizugehörigkeit ist nur ein Indiz unter mehreren.«
    Die Suche nach dem Täter gestaltet sich indes äußerst schwierig. Ähnlich wie im Fall Dietzelbach, gab es auch bei dem gestrigen Mord keine Augenzeugen. Hinweise auf eine politisch motivierte Tat wollte die Polizei weder bestätigen noch dementieren. Stürzenbecher: »Bis jetzt sind keine Bekennerschreiben oder -anrufe eingegangen.« Der Hauptkommissar hofft darauf, dass sich noch Zeugen melden werden. Insbesondere möchte die Polizei wissen: »Wer hat gestern Abend zwischen 19 und 21 Uhr einen blauen Opel Vectra in der Nähe der Loddenheide gesehen?«
    Im Hinblick auf einen möglichen politischen Hintergrund der Taten ist damit zu rechnen, dass die münstersche Mordkommission bald Unterstützung bekommen wird. Wie aus unterrichteten Kreisen zu erfahren war, hat sich das Landeskriminalamt bereits in die Ermittlungen eingeschaltet.
    Direkt nach dem zweiten Mord wurden auch Befürchtungen laut, in Münster könnte ein Serienkiller sein Unwesen treiben. Hauptkommissar Stürzenbecher: »Es besteht kein Grund zur Panik. Allerdings raten wir der Bevölkerung, übertriebene Risiken zu meiden und beispielsweise auf nächtliche Spaziergänge in abgelegenem oder unüberschaubarem Gelände zu verzichten.«

I
    Ich legte die Zeitung beiseite und goss mir eine Tasse Kaffee ein. Es war bereits die vierte, aber das leichte Kribbeln im Bauch konnte auch von dem Umstand herrühren, dass mir Martin Hennekamp kein Unbekannter war. In meinem früheren Leben als Rechtsanwalt hatte ich ihn vor Gericht verteidigt. Als Gegendemonstrant bei einer Versammlung von Rechtsradikalen war er den um das leibliche Wohl der Neonazis besorgten Polizeikräften dadurch aufgefallen, dass er einen Erdklumpen in Richtung der specknackigen Hitlerjünger geworfen hatte. Der Staatsanwalt hielt dies seinerzeit für eine versuchte Körperverletzung. Mit einem fulminanten Plädoyer schaffte ich es, die von der Staatsanwaltschaft geforderte Geldstrafe von 3000 DM auf 2500 DM zu reduzieren. Als ich jedoch die Bezahlung des Anwaltshonorars anmahnte, appellierte Hennekamp an meine politische Solidarität. Das dämpfte damals meine Begeisterung, eine Karriere als politischer Anwalt einzuschlagen. Kurz darauf erledigten sich meine Überlegungen von selbst, weil man mir die Anwaltslizenz entzog. Martin Hennekamp hatte ich in den letzten Jahren gelegentlich in der Innenstadt gesehen. Wir nickten uns zu und gingen weiter, wie man das bei Leuten macht, deren Gesicht einem irgendwie bekannt vorkommt. Trotzdem berührte es mich, dass jemand »ein Messer oder einen messerähnlichen Gegenstand« in ihn hineingestoßen hatte.
    Im Zimmer nebenan stieß Corinna einen Schrei aus. Ein unbefangener Zuhörer hätte ihn für einen Schmerzensschrei halten können. Ich war jedoch alles andere als unbefangen. Seitdem ich ein Zimmer meiner geräumigen Kreuzviertel-Wohnung an den Publizistikstudenten Jan vermietet hatte, untermalten Geräusche dieser Art meinen
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