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Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Titel: Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt
Autoren: Juergen Kehrer
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Alltag.
    Seine Zeit mit Corinna ging bereits in die dritte Woche, aber noch immer verbrauchten die beiden mehr Kraft im Bett als zur Bewältigung ihrer sicherlich nicht allzu schweren Aufgaben an der Uni. Streng genommen verließen sie die IKEA-Spielwiese nur zur Nahrungsaufnahme, zum Duschen und für ihre abendlichen Streifzüge durch Münsters Unterhaltungsgastronomie. Vielleicht hätte ich das Lotterleben als hormonelle Krise namens »frisch verliebt« entschuldigt, wenn mich meine dreimonatige Erfahrung als Jans Zimmervermieter nicht gelehrt hätte, dass ein studierender Schönling es durchaus als Dauerzustand mit wechselnden Partnerinnen führen kann.
    Zwei kurze Schreie hintereinander, der letzte mit einem kleinen Kiekser, erinnerten an ein Tennisspiel zwischen Monica Seles und Anke Huber kurz vor dem Matchball. Hinzu kam jetzt ein brummendes Röhren. Der zweite Geschlechtsverkehr an diesem Vormittag näherte sich seinem Höhepunkt. Mit dem Kaffeelöffel dirigierte ich bis zum finalen Duo-Keuchen. Jenseits der vierzig kann man sich auch an kleinen Dingen erfreuen.
    Kurz darauf öffnete sich eine Tür, und Jan schlenderte in Boxershorts in die Küche.
    »Bringst du mir einen O-Saft mit, Schnuffi!«, rief Corinna ihm nach.
    »Mach ich, Bärchen!«, brüllte er zurück. Und zu mir: »Du bist ja immer noch da.«
    Seine schweißnassen Füße klebten an den Bodenfliesen und lösten sich bei jedem Schritt mit einem quietschenden Plop.
    »Der Mittelteil war etwas monoton, aber gegen Ende kam wieder Drive rein«, sagte ich.
    Er beugte sich in den Kühlschrank. »Du redest wie ein Tattergreis.«
    »Ich bin ein Tattergreis«, korrigierte ich ihn.
    »Rubbish.« Er zog einen Karton mit Orangensaft heraus. »Nur weil dir deine Frau weggelaufen ist, ist das Leben nicht zu Ende. Es gibt genügend fesche Ladys im mittleren Alter.«
    »Die sind bis zur Unkenntlichkeit verheiratet.«
    »Oder schon wieder geschieden.«
    »Dann haben sie drei Kinder.«
    »Na und? Einen kleinen Haken gibt’s überall.«
    »Schnuffi, was machst du so lange?«, tönte Corinnas Stimme aus den Tiefen der Wohnung.
    »Schnuffi.« Ich ließ den Namen auf der Zunge zergehen.
    Jan schüttelte seine goldblonde Mähne. »Klingt scheiße, ich weiß. Aber sie findet’s geil. Musst du heute nicht arbeiten?«
    »Erst heute Nachmittag.«
    Saugend, quietschend und ploppend machte sich Schnuffi auf den Weg zu Bärchen.
    Der überraschende Auszug meiner Ehefrau Imke und die Unterhaltszahlungen für meine Tochter Sarah hatten mich gezwungen, ein Zimmer zu vermieten. Allein konnte ich mir die Miete für die Vierzimmerwohnung nicht mehr leisten. Jan bezahlte 500 Mark und durfte dafür die Küche und das Bad mitbenutzen. Er nannte das Mietwucher, aber immerhin bot ich ihm beste Kreuzviertel-Lage, ein Erkerzimmer, das doppelt so groß war wie eine normale Studentenbutze, und einen toleranten Privatdetektiv als Vermieter.
    In Gedanken überschlug ich meinen Tagesplan. Er bestand aus einem einzigen Punkt. Am Nachmittag wollte ich zu der Computerfirma Network & Co an der Siemensstraße, um unter den Angestellten den Dieb ausfindig zu machen, der regelmäßig Computerplatinen klaute. Die auf den Platinen befindlichen Chips ließen sich auf dem Schwarzmarkt teuer verkaufen. Ein Job, den ich im Auftrag des Detektivbüros Security Check erledigte. Nichts Aufregendes, keine intellektuelle Herausforderung, eben ganz normale, langweilige Detektivarbeit.
    Bis dahin blieben mir noch ein paar Stunden, und ich hatte mich gerade zu einem Spaziergang in die Innenstadt entschlossen, als das Telefon klingelte.
    Eine dunkle, selbstbewusste Frauenstimme sagte: »Mein Name ist Jutta Rausch.« Sie sagte das in einem Ton, der die Überzeugung verriet, dass jede weitere Erklärung überflüssig sei. So wie sich auch Helmut Kohl kaum mit dem Satz melden würde: »Mein Name ist Helmut Kohl, und ich bin von Beruf Bundeskanzler.«
    »Und mein Name ist Georg Wilsberg«, antwortete ich.
    Sie lachte. »Entschuldigen Sie, Herr Wilsberg, vielleicht kennen Sie mich nicht.« Das klang schon ein bisschen weniger überheblich.
    »So ist es«, bestätigte ich.
    »Nun, ich bin die Kämmerin der Stadt Münster. Sagt Ihnen das etwas?«
    »Die Finanzministerin unserer kleinen, netten Stadt. Prüfung bestanden?«
    »Bestanden«, lobte sie mich. »Weswegen ich anrufe …«
    »Das wäre meine nächste Frage gewesen«, verriet ich ihr.
    »Ich möchte wissen, ob Sie heute Abend schon etwas vorhaben.«
    Eine gute
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