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Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Titel: Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer
Autoren: Juergen Kehrer
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natürlich, wer mir da die üppige Provision zukommen lassen will. Bislang ist mir aber niemand eingefallen, der abgedreht genug ist, um nachts auf den Lambertiturm zu steigen und die Käfige gelb anzumalen.«
    Sigi schob den Teller zur Seite, auf dem sich eben noch ein Hirschragout mit überbackener Polenta befunden hatte. Seitdem ich meiner ehemaligen Sekretärin das Detektivbüro am Prinzipalmarkt überlassen hatte, war es zu einer überaus erfolgreichen Agentur geworden. Erfolgreicher jedenfalls, als ich es mir damals träumen ließ, und im Lichte dieses Nobelrestaurants, dessen Rechnung Sigi gleich ohne ein Wimpernzucken begleichen würde, dachte ich daran, dass in meinen aktuellen Existenzproblemen ein gehöriges Maß Eigenschuld, wenn nicht sogar Dummheit steckte.
    Sigi machte einen kleinen Rülpser hinter der Leinenserviette. »Wir haben da gerade einen interessanten Fall. Ein verschwundener Junge, siebzehn Jahre alt. Hat so ziemlich alles durchgemacht, was es an obskuren Zirkeln gibt, von radikalen Tierversuchsgegnern über Okkultismus bis zu schwarzen Messen.«
    »Habt ihr eine Spur?«, fragte ich höflich.
    »Nein. Doch ich bin der Überzeugung, dass er sich noch in Münster oder Umgebung aufhält. Alle seine Betätigungsfelder hat er sich hier gesucht.«
    Ich gähnte. »Ah. Ja?«
    Sigis Augen verengten sich zu Schlitzen. »Verstehst du nicht, was ich meine, Georg? Vom Teufelskult zu den Wiedertäufern ist es nicht weit.«
    »Oho«, protestierte ich. »Die Wiedertäufer waren gläubige Christen. Sie haben bloß überall Teufel gesehen, zum Beispiel in Luther und dem Papst in Rom.«
    »Mein Gott, Georg, der Junge ist siebzehn. Das ist keine gefestigte Persönlichkeit. Und er stürzt sich mit Fanatismus in jede neue Aufgabe. Es ist nur eine Idee, aber sein Verschwinden fällt zusammen mit dem ersten Anschlag dieser sogenannten Wiedertäufer.«
    »Na gut«, gab ich nach, »es ist eine Überlegung wert.«
    »Wir könnten zusammenarbeiten.« Ihre Hand landete auf meinem Unterarm. »Selbstverständlich zahle ich dir ein angemessenes Honorar.«
    Ich nahm ihre Hand und ließ sie auf den Tisch plumpsen. »Ich brauche dein Geld nicht. Das, was ich von der Kirche kriege, reicht völlig.«
    Ihr säuerliches Schweigen wurde von dem Kellner unterbrochen, der sich geräuschlos an unseren Tisch geschlichen hatte. »Was wünschen Sie zum Dessert?«
    »Was können Sie empfehlen?«, fragte Sigi zurück.
    »Frische Erdbeeren und Kiwi an Halbgefrorenem. Eine Spezialität des Hauses.«
    »Gut.« Sie guckte mich an.
    »Zweimal«, bestätigte ich.
    »Was ist denn Halbgefrorenes?«, flüsterte ich, nachdem das beschürzte Wesen mit Goldbrille, einem hobbykochenden Professor ähnlicher als einem schlichten Lakaien, verschwunden war.
    Sigi lachte versöhnlich. »In Läden wie diesem sagt man nicht Eis. Das klingt viel zu banal.«
    Nach dem edlen Wein auf, über und an Halbgefrorenem musste ich noch ein vulgäres Bier zu mir nehmen. Also fuhr ich auf dem Rückweg beim Alcatraz vorbei und drängelte mich bis zur Theke durch. Meine Lieblingskellnerin war nicht zu sehen, aber Norbert stand hinter der Theke und zapfte wie am Fließband.
    »Wie war's beim Monsignore?«, begrüßte er mich. »Hast du das Geld?«
    »Der Deal ist perfekt. Morgen kriege ich einen Scheck.«
    »Hoffentlich ist er gedeckt.«
    »Sei nicht so misstrauisch! Die katholische Kirche ist reicher als Prinzessin Gloria.«
    Er stellte mir ein Bier vor die Nase und sah mich mit treuen Hundeaugen an. »Ich wünsch dir, dass es klappt.«
    Anscheinend behandelten mich heute alle als Sozialfall.
    »Morgen Abend«, sagte ich, »komme ich mit dem Geldkoffer. Möchtest du unregistrierte, benutzte Scheine?«
    »Ich nehme alles, was nach Geld aussieht. Aber mach dir keine Sorgen! Für dich ist immer ein Bier im Hahn.«
    Ich stand kurz davor, einen Rappel zu kriegen, und musste dringend das Thema wechseln. »Wo ist eigentlich Anna?«
    Norbert sah bekümmert aus. »Ich habe ihr eine Woche freigegeben. Ihr Freund macht Ärger, von wegen zu selten sehen und so. Jetzt sind sie ein paar Tage zusammen weggefahren.«
    Ich konnte Norberts Verständnis nicht nachvollziehen. »Warum schießt sie den Typen nicht in den Wind? Das ist doch dieser hässliche Kerl mit dem Nussknackergesicht?«
    Norbert grinste schelmisch. »Lieben dich die Frauen wegen deiner Schönheit?«
    Dazu fiel mir absolut nichts ein.
    Mitten in der Nacht klingelte das Telefon. Ich hätte natürlich warten können, bis sich
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