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Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Titel: Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer
Autoren: Juergen Kehrer
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Glockenschlag. Der meiste Andrang herrschte an der blank polierten und von Johannes dem 23. signierten Grabplatte von Kardinal von Galen. Schließlich kam ich zu der seitlich gelegenen Domkammer.
    »Erste Etage«, sagte der noch ältere Mann an der Kasse. »Leider mussten wir es abhängen.«
    Waldeck hatte, wie an dem hellen rechteckigen Fleck an der Wand zu erkennen war, zwischen Kilian Wegeworts Johannes-Altaraufsatz und sechs Sybillen-Porträts (leicht mollige Frauen im mittleren Alter) gehangen.
    Ich nahm das dritte Mitglied der Rentner-Band beiseite. »Ich komme von Monsignore Kratz«, raunte ich ihm zu. »Er hat mir erlaubt, das beschädigte Bild zu sehen. Sie wissen schon.«
    Der Name Kratz wirkte wie ein Türöffner. Ohne nach meiner Legitimation oder irgendwelchen Unterschriften zu fragen, schloss der alte Mann die Tür zu einem Nebenraum auf. »Da!«, sagte er und zeigte auf eine Wolldecke, aus der ein schwerer, goldbeschichteter Holzrahmen herausragte.
    Ich lugte unter die Wolldecke. Franz von Waldeck saß auf einem Pferd, der zur Schlacht bereite Feldherr. Sein Blick war vermutlich fest und auf das in der Ferne gelegene Münster gerichtet gewesen, bevor er mitsamt dem ganzen Kopf von einem gezielten Säurespritzer weggeätzt worden war. Hinter mir blitzte es.
    Ich fuhr herum. »Was soll das?«
    »Schon gut«, lachte ein pockennarbiger Bursche mit Stoppelfrisur und umgehängten Fotoapparaten. »Du kommst nicht in die Zeitung.«
    »Tobias Frank«, fauchte ich. »Der rasende Reporter der münsterschen Lokalpresse.«
    Er schüttete sich aus vor Lachen. »Ein erhebender Moment, einen Meisterdetektiv bei der Arbeit zu sehen.«
    Ich ging nicht darauf ein. Wie ich Frank kannte, würde er mich jetzt mit uninteressantem Klatsch vollquatschen. Deshalb musste ich so schnell wie möglich Land gewinnen.
    Die Rechnung ging nicht auf. Frank hing wie eine Klette an meiner Seite, als ich an den Heiligenreliquien vorbei die Treppe hinunterstürmte.
    »Vor einem Monat der Gag mit den Wiedertäuferkäfigen am Lambertiturm, und jetzt das hier. Da besteht doch ein Zusammenhang, ich bin mal gespannt, was uns Weihbischof Becker gleich erzählen wird. Weißt du was, ich glaube, dass dahinter ein Plan steckt. Fanatische Kirchengegner oder so. Davon gibt's doch genug in Münster. Vor Jahren haben die mal eine antiklerikale Woche veranstaltet. Und kannst du dich noch an die Demo vor dem Papstbesuch erinnern?«
    Er redete ununterbrochen, bis wir das Hauptportal erreichten.
    »Ich muss jetzt wirklich nach Hause, war nett, mit dir zu plaudern«, sagte ich und schlug den Weg durch den Spiegelturm Richtung Kreuzviertel ein.
    Im Briefkasten fand ich einen Brief meines Vermieters, der mir mit einer Räumungsklage drohte, falls ich nicht innerhalb von fünf Tagen die Mieten der letzten drei Monate bezahlen würde. Das hatte er schon öfter getan, und außerdem konnte dem Mann ja geholfen werden.
    Und da ich gerade bei den unangenehmen Dingen war, schaltete ich den Anrufbeantworter ein. Die ersten drei Anrufe waren von Monsignore Kratz, der jeweils um einen Rückruf bat. Der vierte war von Sigi, die sich dafür entschuldigte, dass sie einem Monsignore Kratz die Nummer des Alcatraz gegeben habe, weil der einen so verzweifelten Eindruck gemacht habe. Und ob ich als Ausgleich für die Belästigung in meinem Stammlokal eine Einladung zum Essen annehmen würde. Heute Abend in der Casa Scala.

III
    Der Kellner stand einen halben Meter hinter mir und wartete darauf, dass ich den letzten Schluck des herben, aber zugleich süffigen und vollmundigen, auf jeden Fall erstklassigen Rotweins austrank. Ich tat ihm den Gefallen, und der serviettenbehangene Arm tauchte an meiner Seite auf, um den alten Pegelstand im Glas wieder herzustellen. Sigi hatte wirklich keine Kosten gescheut, um mich zu besänftigen.
    »Du hättest den Weihbischof sehen sollen«, sagte ich zu ihr. »Und dann erst den Monsignore. So eine lange, dürre Krähe, bereit, mir die Augen auszuhacken. Die glauben doch, dass ich zu diesem verrückten Kommando Jan van Leiden gehöre.«
    »Ich find das nicht witzig.« Sigi war ehrlich besorgt. »Wenn du das Geld überbringst, und sie schnappen die Erpresser nicht, können sie dich wegen Beihilfe drankriegen.«
    Ich wiegelte ab. »Daran habe ich auch schon gedacht. Aber was haben sie in der Hand? Meinen Namen in einem Brief. Und nur die Wiedertäufer wissen, wie er da reingekommen ist. Trotzdem …«, ich senkte die Stimme, »… interessiert mich
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