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Will & Will

Will & Will

Titel: Will & Will
Autoren: John Green , David Levithan
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Unglück, das mir jemals widerfahren ist, hatte damit zu tun, dass ich eine der beiden Regeln nicht befolgt habe.
    »Ich weiß, dass es die Liebe gibt, weil ich sie spüre «, sagt Tiny.
    Ohne dass wir es gemerkt haben, muss der Unterricht begonnen haben, denn Mr Applebaum, der oberflächlich betrachtet unser Mathelehrer ist, aber mich eigentlich lehrt, dass Schmerz und Leid stoisch ertragen werden müssen, fragt: »Was spürst du, Tiny?«
    »Liebe!«, sagt Tiny. »Ich spüre Liebe.« Und alle drehen sich zu ihm um und lachen oder stöhnen auf, und weil ich neben Tiny sitze und er mein bester und einziger Freund ist, drehen sie sich auch zu mir um und lachen oder stöhnen auf; was genau der Grund ist, warum ich mir nie jemanden wie Tiny Cooper freiwillig als Freund aussuchen würde. Er lenkt einfach zu viel Aufmerksamkeit auf sich. Außerdem ist er krankhaft unfähig, meine beiden Regeln zu befolgen, er schafft noch nicht mal eine. Undsoalso flippt er überall herum, lässt viel zu viel an sich ran und quasselt ununterbrochen und wundert sich dann, dass die Welt sich einen Dreck um ihn kümmert. Und allein aufgrund der räumlichen Nähe bedeutet das, dass die Welt sich auch einen Dreck um mich kümmert.
    Nach dem Unterricht starre ich in mein Schließfach und überlege, wie ich es fertiggebracht habe, mein Exemplar von Der scharlachrote Buchstabe zu Hause zu vergessen, was wir in Englisch lesen. In diesem Augenblick kommt Tiny mit seinen Freunden aus der HUHA (Homo-und-Hetero-Allianz) vorbei – mit Gary (der schwul ist) und Jane (die vielleicht hetero ist, vielleicht auch nicht – ich hab sie nie gefragt) – und sagt: »Offensichtlich glauben jetzt alle, dass ich in dich verliebt bin. Ich – in Will Grayson verliebt. Ist das nicht der größte Schwachsinn, den du je gehört hast?«
    »Ganz großartig«, sage ich.
    »Die sind alles solche Idioten«, sagt Tiny. »Als ob was falsch dran wäre, in jemanden verliebt zu sein.«
    Da stöhnt Gary auf. Wenn man sich seine Freunde wirklich aussuchen könnte, dann käme Gary bei mir in die engere Wahl. Tiny hat sich mit Gary und Jane und Garys Freund Nick erst während meiner Auszeit von der Freundschaft mit ihm angefreundet, als er der HUHA beigetreten ist. Ich kenne Gary kaum, weil ich erst seit zwei Wochen wieder näheren Kontakt mit Tiny habe. Aber von allen, mit denen Tiny jemals befreundet war, scheint Gary der Normalste zu sein.
    »Es ist ein Unterschied«, erklärt er Tiny, »ob man verliebt ist oder ob man das in Mathe laut herausposaunt.« Tiny will was sagen, aber Gary lässt ihn nicht zu Wort kommen. »Was natürlich nicht heißt, dass du nicht in Zach verliebt sein darfst.«
    »Billy«, sagt Tiny.
    »Hä, und was ist mit Zach?«, frage ich, denn ich hätte schwören können, dass Tiny am Anfang der Mathestunde noch in Zach verliebt war. Aber seit seinem Bekenntnis sind 55 Minuten vergangen, und da ist es gut möglich, dass er inzwischen die Bezugsperson gewechselt hat. Tiny ist schon ungefähr 3900-mal verliebt gewesen – davon die Hälfte nur im Internet.
    Gary scheint der plötzlich auftauchende Billy genauso zu irritieren wie mich. Er steht an ein Schließfach gelehnt da und stößt mit dem Kopf immer wieder gegen das Stahlblech. »Tiny, dass du so eine Knutschhure bist, dient der Sache überhaupt nicht.«
    Ich gucke Tiny schräg von unten an und sage: »Können
wir die Gerüchte über eine Liebesgeschichte zwischen uns bitte schnell aus dem Weg räumen? Das könnte sonst meine Chancen bei der Damenwelt empfindlich beeinträchtigen.«
    »Von ›der Damenwelt‹ zu reden ebenfalls«, klärt Jane mich auf.
    Tiny lacht.
    »Ganz im Ernst«, sage ich, »ich krieg’s immer ab.«
    Tiny schaut mich einen Moment nachdenklich an und ich bemerke ein angedeutetes Nicken.
    »Obwohl gesagt werden muss«, sagt Gary, »dass du dir einen Übleren hättest aussuchen können als Will Grayson.«
    »Hat er auch schon«, merke ich an.
    Tiny dreht mitten in der Eingangshalle der Schule eine Pirouette wie eine Ballerina und ruft lachend: »Liebe Welt, damit du es weißt, ich bin nicht scharf auf Will Grayson. Aber liebe Welt, noch was, das du unbedingt über Will Grayson wissen solltest.« Und dann fängt er an zu singen, mit einem Broadway-tauglichen Bariton, so voluminös wie sein Bauchumfang: »Ich kann ohne ihn nicht leben!«
    Alle, die vorbeikommen, lachen und johlen und klatschen zu Tinys Ständchen, während ich mich auf den Weg in Englisch mache. Es ist ein langer
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