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Will & Will

Will & Will

Titel: Will & Will
Autoren: John Green , David Levithan
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Lied, das ich am wenigsten mag). Ich brause den Lake Shore Drive entlang und kann hören, wie Jane hinten im Auto mitsingt, nicht ganz in der richtigen Tonlage, aber näher dran, als es bei mir der Fall wäre, wenn ich vor anderen mitsingen würde. Was ich aber nicht tue, denn für solche Fälle gilt meine Maul-halten-Regel. Und Tiny sagt: »Wenn man seinem eigenen Bauchgefühl nicht trauen kann, worauf kann man dann vertrauen?« Und ich sage: »Du kannst darauf vertrauen, dass es immer schlecht ausgeht, wenn du etwas zu nah an dich ranlässt.« Was ja auch stimmt. Wenn einem nicht alles egal ist, endet es nicht nur manchmal übel. Sondern immer.
    »Er hat mir das Herz gebrochen«, sagt Tiny, als ob ihm so was vorher noch nie passiert wäre, als ob es überhaupt noch nie jemandem jemals widerfahren wäre. Und vielleicht ist ja auch genau das das Problem: Vielleicht trifft Tiny wirklich
jedes Ende einer Liebesgeschichte so unerwartet, fühlt es sich für ihn immer so radikal neu und anders an, dass es so tatsächlich noch nie da war. »Unndu hilfsmir auch nich«, fügt er dann noch hinzu, woran ich endgültig erkenne, in welchem Zustand er ist. Zum Glück sind es nur noch zehn Minuten bis zu ihm nach Hause, wenn der Verkehr ruhig bleibt, und dann schnurstracks ab mit ihm ins Bett.
    Aber ich kann gar nicht so schnell fahren, wie sich Tinys Zustand verschlechtert. Als wir vom Lake Shore Drive runterfahren  – noch sechs Minuten –, lallt er leise in sich hinein und schimpft gleichzeitig laut vor sich hin, über Facebook und das Ende der guten Manieren heutzutage und über was auch immer. Jane hat ihre Hände mit den schwarz lackierten Fingernägeln auf Tinys Elefantenschultern gelegt und fängt an, ihn zu massieren, aber er hört mit dem Schluchzen gar nicht mehr auf, und ich überfahre sämtliche rote Ampeln, während die Sheridan sich vor uns dahinschlängelt, und Tiny heult Rotz und Wasser, bis sein grün gesprenkeltes T-Shirt ein nasser Lumpen ist.
    »Wie weit ist es noch?«, fragt Jane, und ich sage: »Er wohnt noch ein Stück weiter draußen«, und sie sagt: »Oh Gott. Beruhig dich, Tiny. Du brauchst nur ein bisschen Schlaf, Baby, und dann sieht alles schon wieder ganz anders aus.«
    Endlich biege ich in die Auffahrt ein und umfahre sämtliche Schlaglöcher, bis wir hinter Tinys Kutscherhaus angelangt sind. Ich springe aus dem Auto und klappe den Sitz nach vorn, damit Jane aussteigen kann, dann gehen wir um das Auto herum zum Beifahrersitz. Jane öffnet die Tür, langt über Tiny hinweg und schafft es durch ein Wunder an Geschicklichkeit, seinen Sicherheitsgurt zu lösen. Dann sagt sie: »So,
Tiny. Zeit, Heia zu machen«, und Tiny sagt: »Ich bin ein solcher Idiot«, und dann lässt er einen Schluchzer los, der wahrscheinlich noch in Kansas auf der Richterskala zu messen ist. Aber er schaufelt sich aus dem Auto und taumelt auf die Hintertür des Häuschens zu. Ich folge ihm, um sicherzugehen, dass er auch ordentlich ins Bett kommt, was, wie sich herausstellt, eine gute Idee ist, denn er kommt überhaupt nicht ordentlich ins Bett.
    Stattdessen bleibt er nach drei Schritten mitten im Wohnzimmer stehen. Er dreht sich um und starrt mich an; mit zusammengekniffenen Augen mustert er mich, als hätte er mich noch nie in seinem Leben gesehen und käme einfach nicht drauf, was ich bei ihm zu Hause will. Dann zieht er sein T-Shirt aus. Er blickt mich immer noch fragend an, als er plötzlich mit einer Stimme, als wäre er stocknüchtern, sagt: »Grayson, es muss etwas geschehen«, und ich sage: »Hä?«, und er sagt: »Denn was ist, wenn wir wie alle anderen im Hideout enden?«, und ich will gerade wieder Hä? sagen, weil die Leute im Hideout viel cooler waren als sämtliche unserer Klassenkameraden und auch viel cooler als wir, aber dann weiß ich, was er meint. Er meint, Was ist, wenn wir Erwachsene werden, die auf eine Band warten, die nie mehr wiederkommen wird? Tiny sieht mich mit ausdruckslosen Augen an und schwankt vor und zurück wie ein Wolkenkratzer im Wind. Und dann fällt er der Länge nach um, mit dem Gesicht nach unten.
    »Oh Junge«, sagt Jane hinter mir, und erst jetzt bemerke ich, dass sie auch da ist. Tiny hat das Gesicht im Teppich vergraben und schluchzt wieder. Ich schaue Jane lange an und ein Lächeln breitet sich langsam auf ihrem Gesicht aus. Ihr
ganzes Gesicht verwandelt sich, wenn sie lächelt – die Augenbrauen hochgezogen, perfekte Zähne zeigend, Lachfältchen um die Augen, eine Art von
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