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Will & Will

Will & Will

Titel: Will & Will
Autoren: John Green , David Levithan
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Lächeln, das ich entweder noch nie bei jemandem gesehen habe oder das mir einfach noch nie aufgefallen ist. Sie wird plötzlich so hübsch, dass es fast wie ein Zaubertrick wirkt – nicht dass ich sie zur Freundin haben will oder so was. Das soll jetzt nicht hochnäsig klingen, aber Jane ist einfach nicht mein Typ. Ihre Haare sind viel zu lockig, katastrophal lockig, und außerdem hängt sie dauernd mit Jungs rum. Ich mag eher den mädchenhaften Typ Mädchen. Aber ehrlich gesagt mag ich noch nicht mal den mädchenhaften Typ Mädchen besonders, geschweige denn irgendwelche anderen Mädchen. Nicht dass ich asexuell wäre oder so – ich finde nur alles, was mit Liebesdrama zu tun hat, ziemlich unerträglich.
    »Lass ihn uns ins Bett schaffen«, sagt Jane schließlich. »Besser seine Eltern finden ihn morgen früh nicht so.«
    Ich knie mich hin und sage Tiny, dass er aufstehen soll, aber er schluchzt nur immer weiter und weiter, deshalb stellen Jane und ich uns links von ihm hin und rollen ihn auf den Rücken. Ich steige über ihn hinweg und beuge mich dann runter und greife ihn unter dem Arm. Jane macht es auf der linken Seite genauso.
    »Eins«, sagt Jane, und ich sage: »Zwei«, und sie sagt: »Drei« und ächzt. Aber nichts passiert. Jane ist zierlich – ich beobachte, wie schmal ihr Oberarm wird, wenn sie die Muskeln anspannt. Und meine Hälfte von Tiny kann ich auch nicht hochhieven, deshalb beschließen wir, ihn zu lassen, wo er ist. Als Jane eine Decke über ihn gebreitet und ihm ein Kissen unter den Kopf geschoben hat, schläft Tiny bereits tief und fest.
    Wir wollen gerade gehen, als ein letzter großer Rotzklumpen Tinys Nase verstopft und er anfängt, grässliche Geräusche zu machen, die sich anhören wie Schnarchen, nur dumpfer und feuchter. Ich beuge mich zu ihm hinunter und sehe, dass er ekligen, Blasen werfenden Rotzschleim ein- und ausatmet, sozusagen in den letzten Zuckungen seines Schluchzmarathons. So viel Schleim, dass ich Angst habe, er erstickt daran.
    »Tiny«, sage ich. »Du musst den Rotz aus der Nase kriegen, Mann.« Aber er bewegt sich nicht. Deshalb beuge ich mich direkt über sein Trommelfell und brülle: »Tiny!« Nichts. Dann verpasst Jane ihm eine Ohrfeige, und zwar eine ziemlich heftige. Nada. Niente. Nur das fürchterliche, in Rotz ertränkte Schnarchen.
    Und das ist der Augenblick, in dem mir klar wird, dass Tiny Cooper jetzt unmöglich in der Nase bohren kann – womit er die zweite Behauptung des erzieherischen Dreisatzes meines Vaters eindeutig widerlegt. Und kurz darauf, unter den Augen von Jane, setze ich das gesamte Theorem meines Vaters außer Kraft, indem ich beherzt nach unten fasse und Tinys Atemwege vom Rotz befreie. Kurzum, aus der Praxis gesprochen: Ich kann mir meinen Freund Tiny nicht aussuchen. Er kann nicht selbst in der Nase bohren. Und ich kann – nein, ich muss – mit meinem Finger in seiner Nase herumfuhrwerken.

zwei
    ich kann mich einfach nicht entscheiden. soll ich mich selbst umbringen oder alle anderen um mich herum. das scheinen mir die beiden möglichkeiten zu sein. der rest ist reine zeitverschwendung.
    im moment bin ich auf dem weg durch die küche zum haus hinaus.
     
    mom: du musst was frühstücken.
     
    ich esse nichts zum frühstück. ich esse nie etwas zum frühstück. ich habe nichts mehr zum frühstück gegessen, seit ich es das erste mal zum haus hinausgeschafft habe, ohne vorher etwas zu frühstücken.
     
    mom: wo gehst du hin?
     
    in die schule, mom. solltest du mal ausprobieren.
     
    mom: lass dir die haare nicht so ins gesicht fallen – ich kann deine augen gar nicht sehen.
     
    aber siehst du, mom, verdammt, genau das ist der punkt.
     
    sie tut mir leid – ehrlich leid. ich schäme mich aufrichtig dafür, wirklich, dass ich nicht ohne mutter ausgekommen bin. es kann nicht leicht sein, mich als sohn zu haben. nichts kann einen auf eine solche enttäuschung vorbereiten.
     
    ich: tag noch.
     
    ich sage nicht ›einen schönen tag noch‹. ich glaube, dass das eine der jämmerlichsten redewendungen ist, die jemals erfunden wurde. als hätte man die wahl, auch einen ›hässlichen tag‹ zu wünschen oder einen ›abscheulichen tag‹ oder einen ›mir-doch-völlig-egal-wie-es-dir-geht tag‹. jedes mal wünscht man sich einen schönen tag. man muss. und daran glaub ich nicht. an schöne tage. ich bin vom gegenteil überzeugt.
     
    mom: einen schönen t –
     
    hinter mir fällt die tür ins schloss und schneidet ihr das wort
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