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Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Titel: Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken
Autoren: Lene Kaaberbol
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beißendes, reißendes Heer, das aus der Luft und über den Boden, aus Büschen und Bäumen herbeiströmte. Und Kater. Kater kam auch.
    Grrroooaaarrrrr. Er rammte den Möwenschwarm wie ein schwarzer Torpedo, groß wie ein Panther, mit Krallen, so lang wie Angelhaken. Verzieht euch, dämliches Federvieh! Sie gehört mir! Ich konnte seine Gedanken etwas deutlicher hören als Oscars unzusammenhängendes Gebrüll.
    Der Möwenschwarm löste sich auf. Viele von ihnen waren verletzt, Blut befleckte ihr weißes Gefieder, und eine von ihnen schleppte sich mit hängenden Flügeln über den Kiesweg. Sie alle sahen jetzt aus wie ganz gewöhnliche Möwen mit hellgelben Augen. Die, die noch konnten, flogen weg. Kater erlöste die schwer verletzte Möwe auf dem Weg mit einem einzigen, gewaltigen Hieb seiner Pfote von ihrem Elend, und ein Fuchs lief mit einem anderen blutigen Federbündel im Maul davon. Die Elstern verfolgten eine geschwächte, schief fliegende Lachmöwe über die kahlen Büsche, und ich glaube, sie erwischten sie ein Stück hinter dem Rhododendronbeet.
    Kater beschnüffelte eingehend die tote Möwe auf dem Weg. Ich war mehr mit Oscar beschäftigt, der sich langsam aufsetzte, aber alles andere als gut aussah. Er hatte seine Baseballkappe verloren, und an mehreren Stellen waren seine Strubbelhaare rot verklebt. Blut sickerte aus seiner Nase und einer Augenbraue, überall an Kopf und Händen hatte er Kratzer. Nur gut, dass Februar war und er Wintersachen trug – seine dicke Jacke hatte jetzt zwar etliche Löcher, aus denen weiße Daunen und Kunststofffasern herausragten, aber sie hatte ihn ganz sicher vor einer Menge Biss- und Hackwunden bewahrt.
    »Au«, sagte er. »Au, verdammt. Scheißmöwen!«
    Ich betrachtete es als gutes Zeichen, dass er immer noch fluchen konnte. Luffe schleckte ihm über die Wange und sah schuldbewusst und kleinlaut aus.
    Oscar betastete vorsichtig seine Nase.
    »Was war denn mit diesen Möwen los?«, fragte er. »War das auch irgendein Wildhexenzeugs?«
    Obwohl er es war, der blutete, schien er nicht halb so erschüttert zu sein wie ich. Vielleicht begriff er nicht, dass er um ein Haar halb oder sogar ganz tot gehackt worden wäre. Alleine hätte ich die Möwen niemals verjagen können, das hatte nur geklappt, weil ich Hilfe bekommen hatte.
    »War das Chimära?«, fragte ich Kater. »Hat sie die Möwen dazu gebracht, uns anzugreifen?« Denn von sich aus hätten sie so etwas niemals getan.
    Kater fauchte nur und fuhr die Krallen seiner schwarzen Vorderpfote aus. Er wusste nicht, wer dahintersteckte, aber sollte er es je herausfinden, sollte sich diese erbärmliche, hinterhältige kleine Ratte lieber vorsehen.
    Oscar stand auf.
    »Und jetzt?«, sagte er. »Bist du immer noch der Meinung, dass wir keinen Krankenwagen brauchen?«
    Kater machte einen Katzenbuckel und streckte sich. Isa , sagte er. Ihr braucht Isa .
    Ich war ganz seiner Meinung. Ich wusste nur nicht, wie ich sie erreichen sollte.
    In dieser Sekunde klingelte mein Handy.

4  TANTE ISA

    Sie kam mit Tu-Tu auf der Schulter durch den Nebel, und Stjerne trottete hinter ihr her, als wäre sie ein großer Hund und kein kleines, zotteliges Pony mit Senkrücken. Tu-Tu breitete seine großen Flügel aus und starrte uns aus runden Eulenaugen an. Oscar flüsterte: »O Mann, danke !« und war ansonsten sprachlos.
    Ich konnte gut verstehen, dass es ihm die Sprache verschlagen hatte. Ich war es gewöhnt, Tante Isa bei sich zu Hause zu sehen, da, wo sie hingehörte, in dem kleinen Steinhaus am Wald, mit Öllampen, Holzofen und winterschlafenden Igeln in Schuhkartons mitten in der Wohnstube. Da wirkte sie … na ja, vielleicht nicht gerade normal, aber auf jeden Fall passender .
    Wenn man sie hier sah, wie sie aus den grauen Nebeln trat, mit dem breitkrempigen Hut und langen Indianerzöpfen, eine Eule auf der Schulter und ein Pony ohne Zaumzeug oder Sattel im Schlepptau – mitten im Elverpark zwischen asphaltierten Wegen, leeren Coladosen und öffentlichen Parkbänken, während der Verkehr auf dem Elverdalsvej vorbeirauschte … ja, dann sah sie aus wie das, was sie war: eine Hexe. Eine Wildhexe, die auf den wilden Wegen wandern und jederzeit und überall auftauchen konnte, ein Wesen aus einer anderen Welt, in der man nicht den Bus wechseln oder Auto fahren musste, um von einem Ort zum anderen zu kommen. Und weil sie wütend war, sah sie auch noch gefährlich aus. Sie wirkte wie jemand, dem es durchaus einfallen konnte, einen Menschen, der sich
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