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Wildes Erwachen

Wildes Erwachen

Titel: Wildes Erwachen
Autoren: Rainer Koenig , Birgit Koenig
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Bezug zu Tschechien ist nicht von der Hand zu weisen. Wer weiß, was da heute Nacht abgelaufen ist?«
    Kral zuckte mit den Schultern. Auch ihm schien die Sache reichlich rätselhaft. Aber das lauter werdende Dröhnen eines Hubschraubers enthob ihn einer Antwort.
    Der Pilot flog in etwa 100 Metern Höhe geradewegs auf den Tatort zu und ließ die Maschine rasant in die Tiefe sinken, als wolle er mit dem schneidigen Manöver seine Flugkünste unter Beweis stellen. Er hatte wohl damit gerechnet, dass der Frost dem Schnee zumindest oberflächlich einige Festigkeit verliehen hätte. Diese grobe Fehleinschätzung bekam das Personal am Boden schnell zu spüren: Der Rotor verursachte einen heftigen Schneesturm, der allen die Sicht nahm. In kürzester Zeit waren Menschen und Fahrzeuge von einer dünnen Schneeschicht überzogen und passten sich harmonisch in das vorherrschende Weiß der Umgebung ein.
    Schuster blickte wütend in die Höhe, ruderte mit den Armen und schrie: »Du Trottel, hau ab! Siehst du denn nicht, was du hier anrichtest!«
    Natürlich hatte der Pilot, der Schuster weder hören noch sehen konnte, seinen Fehler schnell bemerkt und zog die Maschine nach oben. In einiger Entfernung setzte er erneut, diesmal vorsichtig, zum Sinkflug an.
    Während Schuster wie auch die anderen Einsatzkräfte damit beschäftigt war, die weiße Pracht mit heftigen Armbewegungen wieder abzustreifen, ließ er seinem Ärger weiter freien Lauf: »Suur a Oasch, etzert homm’ern Dreek!«
    Die Gewohnheit, im Zorn in Mundart zu verfallen, kannte Kral bereits von Brückner, der ja fast den gleichen Dialekt sprach wie Schuster.
    Natürlich hatte er bei der Erwähnung des »Drecks« sofort an die Beseitigung von Spuren gedacht. Aber Schusters Wut hatte noch einen anderen Grund: Irgendwie musste er geahnt haben, dass seine Frisur nicht mehr in der Ordnung war: Die ehemals gezähmte lange Strähne des Seitenhaars hatte sich gelöst und hing jetzt auf halb acht. Und sie wollte sich auch partout nicht mehr in gewohnter Weise um den Schädel drapieren lassen.
    Kral tat so, als hätte er das Malheur nicht bemerkt, und der Kommissar tat, was er von Anfang an hätte tun sollen: Er zog sich die Kapuze seines Parkas über den Kopf.
    »Mit dem ›Dreck‹ meinten Sie wohl die verwischten Spuren?«, richtete sich Kral fragend an Schuster. Dessen Brabbeln war so etwas wie eine Bestätigung zu entnehmen.
    »Und die Hunde?«, deutete Kral mal so eben ins Blaue, um wieder ein richtiges Gespräch in Gang zu bringen.
    »Und woos wolln’s mit dej Viecher?«, blaffte Schuster ihn an, bewies dann aber durch den Wechsel ins Hochdeutsche, dass er sich allmählich wieder im Griff hatte. »Ich weiß nicht so recht, was die Hunde uns jetzt noch bringen sollen.«
    »Vielleicht«, Kral suchte hektisch nach einem einigermaßen plausiblen Argument, »vielleicht zeigen uns die, ob der Mann …«
    Der Mann, die Frau, was weiß ich denn? Wer ist denn hier der Polizist?
    Schuster nickte ein paarmal gedankenversunken und schien dann einen Entschluss gefasst zu haben: Er rief einen der Hundeführer, der in einiger Entfernung wartete, zu sich und fragte, ob denn einer der Hunde in der Lage sei, eventuelle Spuren der Entführten im Wagen aufzunehmen.
    Der junge Polizist, offensichtlich ein Hofer, lachte: »Wos glahm’nen Sie, Herr Schusder, für wos mir an Spur’nhund homm? Wenn’s do a Trumm vo der Frau gitt, dann zeicht uns die Lizzy scho, ob dej in den Auto wor.«
    Gesundes Sprachempfinden eines selbstbewussten Franken, dachte Kral, der sich schon immer gefragt hatte, warum viele Franken, ob sie denn fränkisch oder die nordbayerische Mundart des Fichtelgebirges sprachen, sich in der Gegenwart hochdeutsch sprechender Menschen um eine Annäherung an die Hochsprache bemühten.
    Jetzt lief alles wie am Schnürchen: Die Besatzung des Hubschraubers wurde kontaktiert und beauftragt, ein Kleidungsstück der Frau zum Tatort zu bringen. Das Päckchen, aus sicherer Höhe abgeworfen, enthielt ein ganzes Bündel Frauenkleidung. Der Polizeihund, zur Verwunderung Krals kein Schäferhund, sondern irgendeine ihm unbekannte Rasse mit langen hängenden Ohren, durfte das Bündel ausgiebig beschnuppern. Dann führte ihn der Polizist in die Nähe des Autos. Und tatsächlich, der Hund verstand sein Handwerk: Aufgeregt fiepend drängte er in den Wagen, sprang auf den Beifahrersitz, beschnüffelte intensiv die Sitzfläche und bellte ein paarmal. Dann sprang er aus dem Wagen und drängte, die
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