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Wilder Wein

Wilder Wein

Titel: Wilder Wein
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht. Du sitzt hier und wartest und wartest, aber er kommt nicht. Sechs Wochen sind eine lange Zeit. Ich kam zwei Wochen zu spät. Dabei hast du mir erzählt, daß du ursprünglich ohnehin gleich zu ihm wolltest. Hast du das nicht auch deinem Vater gesagt?«
    »Ja, aber …«
    »Was aber?«
    »Dann habe ich mir vorgestellt, daß es für mich doch noch schöner wäre, wenn er zu mir käme und nicht ich zu ihm.«
    »Anne, Anne …« Tante Evelyn schüttelte den Kopf. »Genau wie ich damals. Und sieh mich an, was aus mir geworden ist: eine verschrobene alte Jungfer, allen Leuten zum Gespött …«
    »Tante Evelyn!« rief protestierend Anne. »Du bist doch nicht verschroben!«
    »Doch, doch, die Leute sind sogar davon überzeugt.«
    »Ich nicht! Ich weiß, daß du klüger bist als die alle! Das hast du mir soeben bewiesen. Kann ich dein Telefon benützen?«
    »Natürlich. Wozu?«
    »Ich möchte eine Platzkarte im nächsten D-Zug nach Koblenz bestellen.«
    Im Gesicht der gütigen alten Dame leuchtete es auf.
    »Bravo, Anne, mach das! Und ich verspreche dir, daß ich in allernächster Zeit auch noch ein Wörtchen mit meinem Schwager sprechen werde. Vielleicht kann ich ihn auch zur Vernunft bringen.«
    »Dein Schwager? Was hat der mit der Sache zu tun? Wer ist überhaupt dein Schwager?«
    Tante Evelyn lachte.
    »Dein Vater. Oder hast du vergessen, daß er mit meiner Schwester verheiratet war?«
    Die Tür bei Fritz Brühe war normalerweise nur nachts verschlossen. Tagsüber konnte jeder in das Atelier hineingehen, der dazu Lust hatte, nur kurz anklopfte und auf den Ruf des Malers, einzutreten, wartete. Diese Regel hatte allerdings nur in früheren Zeiten Gültigkeit gehabt. Seit sechs Wochen war die Tür meistens auch tagsüber versperrt, und wer anklopfte, stand oft lange – oder überhaupt – vergeblich davor.
    Es war an einem Freitagvormittag. Fritz Brühe lag auf seiner alten Couch und las die Zeitung. Annes Busen war korrigiert, das Bild aber immer noch nicht verbrannt worden. Nun glaubte Fritz plötzlich wieder, das ursprüngliche Maß wäre der Wirklichkeit näher gekommen. Da er aber nur auf seine Phantasie angewiesen war, ließ sich eine absolut sichere Überzeugung nicht erzielen.
    Ein Geräusch drang ans Ohr des Malers. Es war jemand an der Tür. Fritz ließ die Zeitung kurz sinken, entschloß sich dann jedoch, die Lektüre fortzusetzen und dem charakteristischen Geräusch an der Tür keine Beachtung mehr zu schenken.
    Es klopfte wieder.
    Der Maler las, daß die Parteien einander zugesagt hätten, den nächsten Wahlkampf anständig gegeneinander zu führen. Fritz Brühe mußte lauthals lachen.
    Das hörte der Mann vor der Tür. Ein drittes Klopfen von ihm war begleitet von dem Ruf:
    »Fritz, mach auf, ich bin's!«
    Es war gar kein Mann. Die Stimme war die einer Frau und kam dem Maler bekannt vor. Er entledigte sich seiner Zeitung und erhob sich, um zu öffnen.
    »Ingrid!« stieß er hervor. »Was machst du denn hier?«
    Ingrid Rehbein lachte ihn an.
    »Dich besuchen. Freust du dich?«
    Er rührte sich nicht von der Stelle.
    »Oder willst du mich nicht reinlassen?«
    »Natürlich«, sagte er, den Weg freigebend. »Aber stoß dich nicht dran, wie's bei mir aussieht. Mir fehlt hier das Personal zum Saubermachen«, setzte er ironisch hinzu.
    Sie blickte herum, ging zielsicher auf die Couch zu und sagte: »Hier schläfst du wohl?«
    »Hat dich Koblenz wieder, Ingrid?«
    »Nur vorübergehend. Ich verlasse das Nest.«
    »Und wohin?«
    »Nach Düsseldorf.«
    »Zu Zumberg?«
    »Ja. Aber sehen können wir beide uns immer wieder mal, Darling.«
    Sie setzte sich auf die Couch.
    »Heiratet ihr beide?« fragte er sie.
    »Worauf du dich verlassen kannst. Der kommt mir nicht mehr von der Angel. Momentan hat er allerdings noch mit seinen Rippenbrüchen zu tun.«
    »Rippenbrüchen? Hatte er einen Autounfall?«
    »Ach was, der Schang hatte ihn doch in Wehlen noch in der Mangel. Du warst kaum weg damals, da ging das Theater erst richtig los. Wenn die junge Selzer nicht dazwischengegangen wäre, hätte der den erschlagen.«
    »Hat man ermittelt, wer den Porsche angezündet hat?«
    »Ich weiß nicht, ich bin doch auch schleunigst verduftet. Der Alte war ja fürchterlich. So was von ordinär kannst du dir gar nicht vorstellen, einer Dame gegenüber. Ich glaube aber nicht, daß die Polizei Erfolg haben wird. Die sind mir dazu viel zu verschlafen dort, weißt du.«
    »Kann schon sein.«
    »Komm, setz dich doch neben mich.«
    »Wann
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