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Wilder Wein

Wilder Wein

Titel: Wilder Wein
Autoren: Heinz G. Konsalik
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›Winzergold‹ – und damit die ganze Belegschaft – ihre Dortmunder Adresse kannte. Die geringsten Nachforschungen, die einer, der sie liebte, anstellte, mußten also zu ihr führen. Wenn er solche Anstrengungen anstellte.
    Anne wartete.
    Eine wunderschöne morgendliche Sommersonne schien durch das schräge Glasdach in den weiten Raum und tauchte alles in ein freundliches Licht. In ihren Strahlen tanzte der Staub. An den Wänden lehnten Gemälde, die aufzuhängen sich noch niemand die Mühe gemacht hatte … und so weiter.
    Mit diesen Sätzen fing unser Roman an. Man blättere zurück und überzeuge sich davon. Geändert hatte sich, örtlich gesehen, in der Zwischenzeit fast nichts. Wieder schien auch heute eine wunderschöne morgendliche Sommersonne durch das schräge Glasdach in den weiten Raum – der Fritz Brühes Atelier war – und tauchte alles in ein freundliches Licht … und so weiter.
    Nur dem Maler selbst war alles andere als freundlich zumute. Seit er – vor sechs Wochen – Wehlen verlassen hatte und in Koblenz wieder eingetroffen war, erschien er seinen Freunden, deren es nicht wenige gab, nahezu als Fremder. Wer sich nicht zu ihm selbst bemühte, bekam ihn kaum zu sehen. Auch sein Platz im Stammlokal blieb meistens leer.
    »Was ist denn los mit ihm?« lautete die Standardfrage, die in seinem Bekanntenkreis lange genug die Runde machte. Mit der Zeit aber schlief auch sie, wie alles, ein. Fritz Brühe wurde sozusagen von den Seinen abgeschrieben.
    Was war denn wirklich los mit ihm?
    Nun, er hatte sich in seinem Atelier vergraben und malte wie besessen. Was aber malte er? Immer wieder dasselbe – Anne.
    Sie ging ihm nicht aus dem Kopf, sie lag ihm im Blut, er konnte sie sich nicht aus dem Herzen und aus den Fingern reißen, mit denen er sie malte, malte, malte – zum zehnten- oder elftenmal schon! Einmal im Freien, einmal im geschlossenen Raum, mal lachend, mal ernst, mal gehend, mal stehend, mal sitzend, mal liegend, mal angezogen und – mal auch nackt.
    Nackt?
    So kannte er sie doch noch gar nicht, das war von den beiden versäumt worden, und darin wurzelte wohl die größte Sehnsucht, von der sowohl er nach ihr als auch sie nach ihm geplagt wurde.
    Nach sechs Wochen freilich sagte er sich: Es hat keinen Zweck, ich muß sie vergessen, ich mach mich sonst noch völlig kaputt!
    Und er verbrannte die Bilder von ihr, mit Ausnahme eines einzigen – des nackten. Auch dieses dem Feuer zu überantworten, brachte er nicht fertig. Er glaubte einen Fehler entdeckt zu haben. Ihr herrlicher Busen schien ihm eine Idee zu klein geraten zu sein.
    Ihn muß ich noch verbessern, sagte er sich.
    Und dann;
    Dann wollte er das Bild eisern entschlossen verbrennen.
    Verrückt!
    Evelyn Braun in Dortmund, Annes Tante, war eine ältere Dame, die in ihrem Leben keinen Mann abgekriegt hatte. Dies hatte sie sich selbst zuzuschreiben.
    »Anne«, sagte sie, »du bist im Begriff, denselben Fehler zu machen wie ich. Männer haben ihren Stolz. Wenn ihnen gewisse Umstände das verbieten, laufen sie einer Frau nicht nach. Dein Fritz –«
    »Aber mein Vater hat ihn doch vor den Kopf gestoßen, nicht ich!« unterbrach Anne die Tante.
    »Das ist egal, Anne. Ich kann mir vorstellen, daß er denkt, dein Vater könnte im Grunde recht haben. Und dem will er sich unter keinen Umständen aussetzen.«
    »Tante, dann ist er verrückt!«
    Evelyn Braun nickte lebenserfahren.
    »Männer sind durchweg verrückt, Anne, und Frauen auch. Es kommt nur manchmal drauf an, daß man – als Frau – etwas weniger verrückt ist als der Mann, auf den's ankommt.«
    »Hast du das damals versäumt, Tante? Entschuldige, wenn ich so indiskret bin, dich das zu fragen.«
    Die alte Dame lächelte nachsichtig.
    »Ja, das habe ich, Anne. Und es wurde mir zu spät klar. Als ich nämlich einsichtig wurde und auf den Mann, um den es mir zu tun war, zukommen wollte, stellte sich heraus, daß er zwei Wochen zuvor ein Schiff bestiegen hatte, um nach Australien auszuwandern. Rückgängig war da nichts mehr zu machen.«
    »Koblenz ist nicht Australien, Tante.«
    »Sag das nicht, Kind. Entscheidend ist nicht die räumliche Entfernung, viel gefährlicher kann eine andere sein. Du hast mir doch von dieser Sylvia erzählt, eurem Barmädchen. Die kann ihren Beruf überall ausüben. Stell dir vor, die entschließt sich zu einem Ortswechsel nach Koblenz.«
    »Tante!«
    »Ich will dich ja beileibe nicht loshaben hier, mein Kind, aber verstehen tu ich dich, ehrlich gesagt,
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