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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen
Autoren: Christiane Sadlo
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Polizei. Bevor er den Ausgang des Parks erreichte, drehte er sich nochmals um. Doch die Frau, die sich gerade noch Sorgen um ihn gemacht zu haben schien, war verschwunden. Wahrscheinlich schon auf dem Weg in ihre gepflegte Wohnung im achtzehnten Arrondissement. Oder zum Fünfuhrtee mit ihren reichen Freundinnen im Ritz. Hubert verzog das Gesicht. Er kramte in den Taschen seiner schmuddeligen Anzugjacke, die er vor ein paar Monaten aus einem Klamottencontainer gezogen hatte, und fand schließlich, was er suchte. Verstohlen warf er ein paar Pillen ein. Die brauchte er jetzt auch dringend. Schließlich musste er sich konzentrieren bei seinem Job. Es durfte nichts schiefgehen, sonst würde er den Rest der Kohle nicht bekommen. Die Pillen wirkten schnell. Schon kam die Power zurück. Jetzt die Karre. Er brauchte ein Auto. Sofort. Sonst würde es nicht klappen. Er schlenderte lässig an den geparkten Autos der Rue de Chatillon entlang. Alles teure Wagen, die mit Sicherheit eine Alarmanlage hatten. Doch da, das junge Paar, das seinen alten Citroën gerade einparkte. Baujahr 1975, vermutete Hubert. Ziemlich vergammelt. Also sicher keine Alarmanlage. Das Paar holte die Kinder aus dem Auto, ein quengeliges Baby und eine maulige Fünfjährige, die darauf bestand, jetzt und zwar sofort ein Eis zu bekommen. Die jungen Eltern waren so genervt, dass sie sogar vergaßen, das Auto abzusperren.
    Hubert wartete ab, bis die kleine Familie im Park verschwunden war. In das rote Auto zu steigen, es kurzzuschließen und wegzufahren, war die Sache von ein paar Sekunden. Aufatmend rückte er sich auf dem Sitz zurecht. Lief doch alles gut. Nur noch ein paar Stunden, und er konnte wieder anfangen zu leben. Er griff in seinen Hosenbund, holte eine Pistole heraus. Nicht besonders groß. Aber sie drückte ihn beim Sitzen. Er legte sie neben sich auf den Fahrersitz. Wow, im Fußraum lag der Einkauf des jungen Paares. Baguette, Obst. Und eine Flasche Whisky. Schottischer. Immerhin – Geschmack hatten sie. Er öffnete die Flasche mit den Zähnen, während er sich in den Feierabendverkehr einfädelte, und nahm einen großen Schluck. Wunderbar, wie das Feuerwasser die Kehle hinunter lief. Er machte das Radio an. Freddy Mercury sang sein ewiges Lied von der Liebe: »No One But You.« Hubert sang mit und trank weiter. Die Musik stellte er auf brüllend laut. Die Sonne ging in einem gigantischen Schauspiel hinter der Kuppel von Sacré Cœur unter. Hubert Polin, der Junkie, gab in seinem gestohlenen Auto Gas.
4
    Â»Genau deswegen bin ich nach Paris gekommen.« Marie strahlte Jean an, als sie aus dem kleinen Tabakladen kamen, in dem es mal wieder einen Diebstahl gegeben hatte.
    Â»Dieses Licht, diese Luft. Gott, ist das eine herrliche Stadt.« Sie sah sein Grinsen. »Lach mich nicht aus. Ich weiß, dass ich das schon tausendmal gesagt habe. Aber ich kann nichts dafür. Mann, Jean, es ist einfach so geil hier.«
    Jean lachte laut auf. Maries ungetrübte Begeisterung für Paris amüsierte ihn jedes Mal. Natürlich war es ihm klar, dass ein Mädchen aus der Provinz die Stadt, in der er aufgewachsen war und die er wie seine Jeanstasche kannte, mit anderen Augen sah als er. Aber auch noch nach fünf Jahren? Sie hatte es in ihrem Job doch nun wahrlich nicht mit den glamourösen Seiten der Stadt zu tun, im Gegenteil. Es waren die finsteren, trostlosen Ecken, in die man sie rief.
    Vom ersten Tag an, als sie ihm auf dem Streifenwagen zugeteilt worden war, hatte er diese junge Kollegin gemocht. Nicht nur weil sie sich so offen und unverhohlen darüber freute, einen Job als Polizistin in Paris ergattert zu haben, sondern weil sie ihr Leben so begeistert und optimistisch in die Hand nahm. Obwohl sie in dieser Kleinstadt im Elsass aufgewachsen war, hatte sie sich keine Sekunde vom Pariser Großstadtleben einschüchtern lassen. In allem konnte sie etwas Positives sehen. Ihre winzige Dachwohnung, die jedem anderen Beklemmungen einjagen würde, hatte sie zu ihrem Vogelnest über den Dächern von Paris erklärt, die Touristenmassen, die sich Tag für Tag durch die Straßen wälzten, sah sie als eine ständige Liebeserklärung an ihre Stadt an, und selbst wenn sie im Verkehrschaos wieder einmal stecken blieben, ließ sie sich nicht aus der Ruhe bringen, sondern sah es als willkommene Gelegenheit, sich mit den Schönheiten der Häuser im Detail vertraut zu
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