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Wilde Chrysantheme

Wilde Chrysantheme

Titel: Wilde Chrysantheme
Autoren: Jane Feather
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könntest doch unmöglich eine Frau dazu verdammen, das Bett mit ihm zu teilen, selbst wenn er sie zu sich nehmen würde. Es käme einem Todesurteil gleich.«
    »Hör gut zu, lieber Bruder. Ich habe da einen Plan.«

2. Kapitel
    Zu dem Zeitpunkt, als die Postkutsche in den Hof des Gasthauses »Zur Glocke« in der Wood Street in Cheapside rumpelte, hatte Juliana fast vergessen, daß noch eine andere Welt außerhalb des engen, vollgestopften Inneren der Kutsche und der Gesellschaft ihrer sechs Mitreisenden existierte. Bei einer Fortbewegung von fünf Meilen pro Stunde und einem erzwungenen Zwischenhalt bei Sonnenuntergang, weil weder der Kutscher noch die Passagiere nach Einbruch der Dunkelheit auf den Landstraßen unterwegs sein wollten, hatte es mehr als vierundzwanzig Stunden gedauert, um die siebzig Meilen von Winchester nach London zurückzulegen.
    Während der langen Stunden der Nacht hatte Juliana, wie der Rest ihrer Reisegefährten, im Schankraum des Postkutschengasthofs gesessen. Trotz der harten, unbequemen Bänke hatte sie es als eine willkommene Abwechslung von dem zermürbenden Holpern und Rütteln der eisernen Kutschenräder über ungepflasterte Straßen begrüßt.
    Kurz vor Morgengrauen waren sie erneut aufgebrochen, und gerade wenige Minuten nach sieben Uhr früh stieg sie zum letzten Mal aus der Kutsche. Jetzt stand sie im Hof der »Glocke« und bog ihren steifen Rücken gegen ihre ins Kreuz gestützten Hände in dem Versuch, ihre verkrampften Muskeln etwas zu lockern. Die Postkutsche aus York trudelte ebenfalls gerade ein und spuckte ihre schläfrig blinzelnden, erschöpften Passagiere aus. Die Juniluft war schon warm um diese frühe Morgenstunde und mit den Gerüchen der Großstadt durchtränkt – Juliana rümpfte angewidert die Nase über den durchdringenden Gestank des faulenden Unrats in den Gossen und der Dunghaufen, die sich in den engen, kopfsteingepflasterten Straßen türmten.
    »Hast du 'nen Koffer da oben, Junge?«
    Juliana brauchte einen Moment, um zu begreifen, daß die Frage des Kutschers an sie gerichtet war. Sie trug noch immer ihren Umhang und die Wollmütze, die sie während der gesamten Reise nicht abgesetzt hatte, bis weit über die Ohren heruntergezogen. Sie wandte sich dem Mann zu, der auf dem Dach der Kutsche hockte und dabei war, das Gepäck der Fahrgäste loszuschnallen.
    »Nein, nichts, danke.«
    »Eigentlich eine zu lange Fahrt, um nicht mal mit 'nem Beutel loszuziehen«, bemerkte der Mann neugierig.
    Juliana nickte nur schweigend und steuerte dann auf die Tür des Gasthofs zu. Ihr kam es vor, als wäre sie nicht nur endlos unterwegs gewesen, sondern in eine andere Welt gereist… in ein anderes Leben. Was ihr dieses Leben bringen würde und wie sie damit umgehen sollte, waren die einzigen Fragen, die sie im Moment interessierten.
    Sie betrat den dunkel getäfelten Schankraum, wo eine Küchenmagd gerade einen Eimer Wasser auf dem schmierigen Fliesenfußboden auskippte. Juliana hüpfte über einen Strom schmutzigen Wassers, der ihre Stiefel zu durchnässen drohte, blieb mit dem Fuß am Rand des Eimers hängen und klammerte sich haltsuchend an der Theke fest, um nicht auszurutschen. Als sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte, nickte sie dem Mädchen gutgelaunt zu.
    »Einen schönen guten Morgen!«
    Das Mädchen schniefte und zog ein Gesicht, als stellte sie sich einen guten Morgen anders vor. Sie war ein mageres, blasses Geschöpf, das sein Haar fast schmerzhaft straff aus der Stirn zurückgekämmt und zu einem strähnigen, fettigen Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. »Sie woll'n was zu essen?«
    »Wenn ich darum bitten darf«, erwiderte Juliana mit ungetrübter Fröhlichkeit. Sie glitt auf einen hohen Hocker an der Theke und blickte sich im Raum um. Der Vergleich mit dem Landgasthof, der ihr von ihrem Heimatort her vertraut war, fiel nicht sonderlich günstig aus. Dort gab es stets frische Blumen und Bündel von getrockneten Kräutern, blankpoliertes Messing und sorgfältig gewachstes Holz; dieser Schankraum dagegen starrte vor Schmutz, und es stank nach schalem Bier und Latrine. Die Anwesenden hatten darüber hinaus eine mißtrauische, fast feindselige Art an sich.
    Gleich darauf tauchte der Wirt aus dem dämmrigen Zwielicht hinter der Theke auf. »Was kann ich Ihnen bringen?« Die Frage klang durchaus höflich, aber sein Ton war mürrisch, und er musterte sie abschätzend aus blutunterlaufenen Augen.
    »Eier und Toast und Tee, wenn ich bitten darf, Sir. Ich bin
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