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Wilde Chrysantheme

Wilde Chrysantheme

Titel: Wilde Chrysantheme
Autoren: Jane Feather
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Verwandten aus der Klemme zu helfen.«
    Seine blaßbraunen Augen, die tief in ihren Höhlen wie die letzten Funken eines verlöschenden Feuers glühten, nahmen plötzlich einen scharfen, gerissenen Ausdruck an, und er musterte seinen Cousin abschätzend. Sein Mund verzog sich zu einem wissenden Lächeln, als er einen Muskel an Tarquins Kiefer verräterisch zucken sah, während dieser darum kämpfte, seinen Ärger in Schach zu halten.
    »Nun«, sagte Lucien sorglos, »wir werden später darüber sprechen… wenn ich etwas ausgeschlafener bin. Vielleicht beim Dinner?«
    »Mach, daß du rauskommst«, knurrte Tarquin und kehrte ihm brüsk den Rücken.
    Luciens glucksendes Lachen hing noch in der Luft, als sich die Tür hinter ihm schloß.
    »Es wird wohl kaum noch etwas von Edgecombe übrigbleiben, was der arme Godfrey einmal erben könnte«, bemerkte Quentin, als er an seinem Wein nippte. »Seit Lucien vor knapp sechs Monaten volljährig geworden ist, hat er bereits ein Vermögen durchgebracht, von dem die meisten Männer bis ans Ende ihrer Tage im Luxus leben könnten.«
    »Ich werde nicht tatenlos danebenstehen und zusehen, wie er Edgecombe verkauft«, ließ Tarquin sich deutlich vernehmen. »Und ich werde auch nicht danebenstehen und zusehen, wie das wenige, was noch davon übrigbleibt, in den Besitz von Luciens bedauernswertem Anhang übergeht.«
    »Mir ist bloß schleierhaft, wie du das verhindern willst«, sagte Quentin überrascht. »Ich weiß, der arme Godfrey besitzt nicht mehr Verstand als ein Truthahn, aber er ist trotzdem Luciens rechtmäßiger Erbe.«
    »Er würde es sein, falls Lucien keine eigenen Nachkommen hinterläßt«, erwiderte der Herzog, während er beiläufig in der
Gazette
blätterte.
    »Nun, wir alle wissen, daß da keine Aussicht besteht«, erklärte Quentin. Es war etwas, was er immer als eine unveränderliche Tatsache betrachtet hatte. »Außerdem ist Lucien jetzt volljährig und braucht dir keine Rechenschaft mehr abzulegen; du hast keine Handhabe mehr, ihn zu kontrollieren.«
    »Richtig, und er hört auch nie auf, mir das unter die Nase zu reiben«, gab Tarquin zurück. »Aber eher wird die Hölle zufrieren, als daß ich mich von Lucien Courtney unterkriegen lasse, mein Freund.« Er schaute auf und begegnete dem Blick seines Halbbruders.
    Quentin fühlte, wie ihm ein kleiner Schauder das Rückgrat hinunterrieselte bei dieser geflüsterten Verkündigung. Er kannte Tarquin wie kein anderer, auch die sanftere Seite dieser scheinbar so unbeugsamen Natur, kannte die Schwächen und Verwundbarkeiten seines Halbbruders; er wusste, daß der harte Zynismus, den Tarquin der Welt präsentierte, eine Schutzmaßnahme war, die er sich in frühester Jugend angeeignet hatte, eine Abwehrmaßnahme gegen jene, die die Freundschaft eines zukünftigen Herzogs für ihre eigenen Ambitionen zu mißbrauchen suchten.
    Quentin war sich jedoch auch bewusst, daß man die Rücksichtslosigkeit des Herzogs von Redmayne nicht unterschätzen durfte, wenn es um seine persönlichen Interessen ging. »Und was hast du vor?« fragte er schlicht.
    Tarquin trank sein Glas aus. Er lächelte, aber ohne Humor. »Es ist an der Zeit, daß sich unser kleiner Cousin eine Ehefrau zulegt und eine Familie zu gründen beginnt«, erklärte er. »Damit sollte das Problem eines Erben von Edgecombe gelöst sein.«
    Quentin starrte ihn an, als hätte er den Verstand verloren. »Keine Frau wird Lucien jemals heiraten, selbst wenn er zu heiraten bereit wäre. Er ist von der Syphilis zerfressen, und die einzigen Frauen, die in sein Vergnügungsprogramm passen, sind Huren aus der Gosse, die in Männerkleidung den Burschen für ihn spielen.«
    »Das stimmt. Aber was glaubst du, wie lange er noch zu leben hat?« fragte Tarquin fast beiläufig. »Man braucht ihn sich doch bloß anzusehen. Er ist völlig ausgebrannt von seinen zügellosen Ausschweifungen und dem Tripper. Ich würde ihm vielleicht noch sechs Monate geben… längstens ein Jahr.«
    Quentin sagte nichts, aber sein Blick ruhte weiterhin unverwandt auf dem Gesicht seines Halbbruders.
    »Außerdem weiß er um seinen Zustand«, fuhr Tarquin fort. »Jeden Tag schlägt er über die Stränge, als wäre es sein letzter. Er schert sich keinen Deut darum, was mit Edgecombe oder dem Courtney-Vermögen passiert. Warum sollte er auch? Aber ich werde mich darum kümmern, daß Edgecombe unversehrt in kompetente Hände übergeht.«
    Quentin sah entsetzt aus. »Um Gottes willen, Tarquin, hab Erbarmen! Du
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