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Wilde Chrysantheme

Wilde Chrysantheme

Titel: Wilde Chrysantheme
Autoren: Jane Feather
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Ein Abdruck, den er sich unmöglich selbst beigebracht haben konnte.
    Und George würde ihn sehen. Eine Stiefmutter, die wegen Mordes an ihrem Ehemann verurteilt wurde, ging all ihrer Rechte verlustig. Der Ehevertrag würde annulliert werden, und Sir Johns Sohn könnte endlich triumphieren.
    Juliana hätte nicht sagen können, wie lange sie dort über den Nachttopf gebeugt auf dem Fußboden saß, doch nach und nach trocknete der Schweiß auf ihrer Stirn, und sie war wieder fähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
    Sie musste fort von hier. Es gab niemanden, der für ihre Unschuld eintreten würde… niemanden, der trotz der offenkundigen Fakten ein gutes Wort für sie einlegte. Ihr Vormund hatte den Ehevertrag ausgehandelt, wobei er natürlich in erster Linie den eigenen Profit im Auge behielt. Danach hatte er nichts mehr zu tun haben wollen mit der Nichte, die lediglich eine lästige Bürde für ihn gewesen war seit jenem Augenblick, als man die junge Waise in seine Obhut gegeben hatte. Es gab keinen Menschen auf der Welt, der auch nur ein entferntes Interesse an ihr hegte.
    Juliana erhob sich vom Fußboden, schob den Nachttopf mit dem Fuß wieder unter das Bett zurück und zog Bilanz. Die Postkutsche nach London hielt um vier Uhr früh vor dem »Rose and Crown« in Winchester. Ihr blieb also noch genug Zeit, um die zehn Meilen bis Winchester zu Fuß über die Felder zu laufen und rechtzeitig an der Postkutschenstation einzutreffen. Bis der Haushalt aufwachte oder George seinen Rausch ausgeschlafen hatte, würde sie längst auf und davon sein.
    Sie würden sie ganz sicher verfolgen, aber in London könnte sie mühelos untertauchen. Sie musste nur darauf achten, sich im »Rose and Crown« möglichst unauffällig zu verhalten und keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    Schaudernd wandte Juliana die Augen vom Bett ab, als sie zu dem Kleiderschrank ging, in dem ihre brandneue Aussteuer hing. Sie hatte jedoch auch ein Paar Reithosen aus grobgewirkter Baumwolle und eine Leinenbluse unter den Kleidungsstücken verborgen. In diesem Kostüm war sie Forsett Towers bei den häufigen Gelegenheiten entflohen, wenn ihr Leben unter der Fuchtel der Ehefrau ihres Vormunds noch unerfreulicher als gewöhnlich geworden war. Keiner hatte die Verkleidung jemals entdeckt oder die diversen Orte, wo sie Unterschlupf suchte. Natürlich hatte sie bei ihrer Rückkehr jedesmal für ihre heimlichen Ausflüge büßen müssen, aber Lady Forsetts Haselnußrute war ihr immer als ein geringer Preis für jene kostbaren Stunden der Freiheit erschienen.
    Juliana kleidete sich in aller Eile an, zog Strümpfe und Stiefel an und drehte dann ihr üppiges, flammendrotes Haar zu einem Knoten auf dem Kopf zusammen, wobei sie einige verräterische Strähnen unter eine wollene Mütze schob, die sie tief über die Ohren streifte.
    Als nächstes brauchte sie Geld. Zumindest genug, damit es für den Fahrpreis der Postkutsche und für ein paar Übernachtungen in einem billigen Gasthof reichte, bis sie Arbeit fände. Aber sie würde kein Geld nehmen, das jemand vermissen würde…, was sie nicht nur als Mörderin, sondern auch noch als Diebin brandmarkte!
    Warum sie sich um ein solch haarspalterisches Problem Sorgen machen sollte, überstieg die eine Hälfte von Julianas Verstand; aber die andere Hälfte schien ganz von allein zu arbeiten, während sie mit der Leistungsfähigkeit eines Automaten Möglichkeiten prüfte, wieder verwarf und eigene Entscheidungen traf.
    Sie nahm vier Sovereigns aus dem Versteck in der Schublade der Frisierkommode. Zufällig hatte sie beobachtet, wie John vor dem Zubettgehen seine Taschen leerte… vor vielen Stunden, wie es jetzt schien… nachdem die Hochzeitsgäste endlich von der Schlafzimmertür gewichen waren und unter jovialobszönen Bemerkungen das Haus verlassen hatten, um dem frischvermählten Paar die wohlverdiente Ruhe zu gönnen.
    John war so betrunken gewesen, daß er kaum noch hatte aufrecht stehen können. In Gedanken sah sie ihn jetzt wieder vor sich, wie er schwankte, während er den Inhalt seiner Tasche in die Schublade leerte – seine blutunterlaufenen blauen Augen hatten vor Erregung geglänzt, und sein normalerweise schon leicht gerötetes Gesicht war nach den vielen Toasts auf das Wohl des Brautpaares hochrot verfärbt gewesen.
    Tränen schnürten plötzlich Julianas Kehle zu, als sie den noch immer ungewohnten Ehering von ihrem Finger streifte. John hatte sie stets mit Freundlichkeit behandelt, wenn auch auf
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