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Wilde Chrysantheme

Wilde Chrysantheme

Titel: Wilde Chrysantheme
Autoren: Jane Feather
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Lebens, das ihr bisher nur wenig Glück beschert hatte.
    Juliana zuckte die Achseln. Wie eine streunende Katze, die vor langer Zeit gelernt hat, sich allein durchzuschlagen, blickte sie ihrer unbestimmten Zukunft mit klagloser Resignation entgegen. Als sie mit eiligen Schritten den Hinterhof durchquerte und sich einen Weg zu dem Obstgarten und den Feldern dahinter bahnte, schlug die Kirchenuhr gerade Mitternacht.
    Ihr siebzehnter Geburtstag war vorbei. Der Tag, den sie als Braut begonnen und als Witwe und Mörderin beendet hatte.
    »Einen schönen guten Morgen, Cousin«, nuschelte eine Stimme aus den Tiefen eines Lehnsessels, als der Herzog von Redmayne die Bibliothek seines Hauses in der Albermarie Street betrat.
    »Und was verschafft mir das Vergnügen deines Besuches, Lucien?« erkundigte sich der Herzog in nüchternem Tonfall, obwohl eine Andeutung von Empörung in seinen Augen aufflackerte. »Willst du auf diese Weise deinen Gläubigern entwischen? Oder stattest du mir einen ergreifenden Höflichkeitsbesuch ab?«
    »Ich bitte dich, Cousin. Spar dir deinen Sarkasmus.« Lucien Courtney rappelte sich auf die Füße und musterte mit spöttischer Gelassenheit seinen Vetter sowie den Mann, der unmittelbar hinter ihm den Raum betreten hatte. »Nanu, wenn das nicht unser lieber Reverend Courtney ist! Was für eine überwältigende Ansammlung von Verwandten. Wie geht's dir denn so, alter Knabe?«
    »Recht gut, danke«, erwiderte der andere Mann verbindlich. Er war in schlichtes Grau gekleidet, mit einem einfachen weißen Halstuch – seine Kleidung bildete einen krassen Gegensatz zu dem pfauenblauen seidenen Gehrock des Herzogs mit den vergoldeten Knöpfen und den reichbestickten Armelaufschlägen. Aber seine physische Ähnlichkeit mit Redmayne war verblüffend: Die gleiche gerade, vornehme Nase und tiefliegende graue Augen, der gleiche schmale, gutgeschnittene Mund, das gleiche energische, in der Mitte gespaltene Kinn. Damit endeten die Gemeinsamkeiten der beiden Männer jedoch. Während Quentin Courtney die Welt und ihre verrückten Launen mit dem wohlwollenden und aufrichtigen Verständnis eines frommen Geistlichen betrachtete, sah sein Halbbruder Tarquin, Herzog von Redmayne, seine Mitmenschen mit den scharfen, desillusionierten Augen eines Zynikers.
    »Also, was führt dich zu den heimatlichen Fleischtöpfen zurück?« höhnte Lucien ein wenig. »Ich dachte, du wärst inzwischen ein wichtiger Kirchenmann in der Diözese irgendeines Landesbischofs geworden.«
    »Kanonikus der Melchester Kathedrale, um genau zu sein«, erklärte Quentin kühl. »Ich bin im Auftrag meines Bischofs hier, um kirchliche Angelegenheiten mit dem Erzbischof von Canterbury zu besprechen.«
    »Oh, was sind wir doch schnell, weit und heilig aufgestiegen«, rief Lucien mit spöttisch gekräuselten Lippen aus. Quentin ignorierte die Bemerkung.
    »Darf ich dir eine Erfrischung anbieten, Lucien?« Tarquin ging zu den Karaffen auf der Anrichte. »Ah, wie ich sehe, hast du dich schon selbst bedient«, fügte er hinzu, als er den Cognacschwenker in der Hand des Jüngeren bemerkte. »Meinst du nicht, daß es noch ein bißchen früh am Morgen für Cognac ist?«
    »Mein lieber Junge, ich bin überhaupt noch nicht im Bett gewesen«, äußerte Lucien mit einem Gähnen. »Für meine werte Person ist dies ein Schlaftrunk.« Er stellte sein Glas auf einem Tischchen ab und schlenderte mit etwas unsicheren Schritten zur Tür. »Du hast doch nichts dagegen, wenn ich mich für ein paar Nächte bei dir einquartiere, oder?«
    »Wie sollte ich?« gab Tarquin mit einer hochgezogenen Braue zurück.
    »Tatsache ist, daß bei mir zu Hause praktisch Belagerungszustand herrscht«, erklärte Lucien, während er sich an die Tür lehnte und in seinen Taschen nach der Schnupftabakdose suchte. »Zu jeder Tages- und Nachtzeit hämmern die verdammten Gläubiger und Gerichtsvollzieher an meine Tür. Man kommt einfach nicht mehr dazu, sich richtig auszuschlafen, weil einem diese Halunken keine Ruhe lassen.«
    »Und was wirst du diesmal verkaufen, um diese Halunken zu befriedigen?« wollte der Herzog wissen, während er für sich und seinen Bruder ein Glas Madeira einschenkte.
    »Tja, ich werde mich wohl oder übel von Edgecombe trennen müssen«, brummte Lucien und nahm eine Prise Schnupftabak. Er seufzte aus tiefstem Herzen. »Eine schreckliche Sache. Aber ich wüsste wirklich nicht, was ich sonst tun sollte… es sei denn natürlich, du würdest dich in der Lage sehen, einem
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