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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition)
Autoren: Lena Klassen
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Das gilt nicht.«
    Moon streckte ihr die Zunge heraus. Lucky grinste noch etwas breiter. »Klar doch«, meinte er. »Kein Problem.« Er ließ seinen Blick über unsere Gesichter wandern. Dann kroch er auf allen Vieren über die Flasche hinweg, direkt auf mich zu. Ich war so verblüfft, dass ich den Atem anhielt. War das etwa die Wirkung des neuen Lippenstifts? War er womöglich mit irgendwelchen Pheromonen versetzt? Bei diesem Spiel hatte ich schon mal den einen oder anderen Kuss abbekommen, flüchtige Schmatzer auf die Wange oder die Lippen, und hatte mit den anderen zusammen darüber gelacht. Doch das hier war Lucky. Ich rechnete damit, dass er sich vielleicht doch noch Peace zuwenden würde, dem hübschen Mädchen mit dem richtigen Namen, aber er meinte tatsächlich mich.
    Ungläubig sah ich seine Hand auf mich zukommen, und dann berührte er sogar meine Wange.
    »Was dagegen?«, fragte er noch, und bevor ich antworten konnte, drückte er seinen Mund auf meinen.
    Es passierte nichts Spektakuläres. Ich fühlte seine Lippen an meinen und seinen Atem neben meiner Nase und die Wärme seines Gesichts. Dann war es auch schon vorbei, und er kroch zurück auf seinen Platz und grinste wie ein Schneekönig.
    Das laute Schrillen der Schulklingel verkündete das Ende der Pause. Wir sprangen auf – das heißt, die anderen sprangen, ich kämpfte mich mühsam hoch, wie in Trance, und schlurfte hinter meinen Mitschülern her zu unserem Klassenraum. Das grelle Licht im Flur blendete mich. Benommen stand ich da und blinzelte.
    »Alles okay?«, fragte Moon und bot mir den Arm, damit ich nicht umkippte. Das passierte mir öfter mal, wie jeder hier wusste.
    »Warum hat er das gemacht?«
    »Ist eben Lucky«, meinte sie leichthin.
    »Das … macht dir nichts aus?«
    »Pi«, sagte Moon, »wir sind hier nicht in einem Stück von Shakespeare, klar? Die Liebe ist dazu da, uns glücklich zu machen. Hier stirbt keiner an Liebeskummer.«
    Die Glückszentrale stellte die passenden Paare zusammen. Später heiratete man und bekam zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen.
    Das war das Glück.
    Niemand verlangte Treue und ewige Liebe und lauter solches romantisches Zeug von einem. Nein, niemand starb in Neustadt an Liebeskummer oder jagte sich ein Messer ins Herz.
    Zwei Kinder, dem neuen Menschen wieder einen ganzen Schritt näher.
    Was man sonst so trieb, ging weder die Gesundheitsbehörde noch den von ihr ausgewählten Freund etwas an. Früher gab es Paare, die sich scheiden ließen. Damals, in der finsteren Moderne, erwarteten die Leute, dass der Partner, den sie per Zufall ausgesucht hatten, allen ihren Bedürfnissen entgegenkam und sie auf Händen trug. Und wenn er das nicht tat – natürlich tat er es nicht –, waren sie beleidigt und stürzten sich in einen gemeinen kleinen Krieg, machten sich gegenseitig fertig und brachten sich am Ende noch um. Oder den anderen. Oder die Kinder. Oder alle miteinander.
    Wir lebten in zivilisierteren Zeiten.
    »Wie nett von Lucky, dass er daran gedacht hat«, meinte Moon munter. »Dass du vielleicht auch mal einen Kuss brauchst.«
    »Ja«, stimmte ich zu, »Lucky ist nett.« Ich spürte immer noch seine Lippen auf meinen. Komischerweise machte es mich überhaupt nicht glücklich. Ich war jetzt noch viel trauriger als vorher.
    »So«, sagte sie, »ich lass dich jetzt hier stehen. Du findest in den richtigen Raum? Ich muss noch kurz meine Welle abholen.«
    »Lass den Glücksstrom nie abreißen.«
    Moon lächelte. »Ach, Pi«, meinte sie. »Du bekommst dasselbe wie wir, aber manchmal frage ich mich, ob es bei dir genauso wirkt wie bei uns. Vielleicht müsste man es dir in die DNS einbauen.«
    Das fragte ich mich schon lange. Was immer Dr. Händel mir in die Adern jagte, meine Wolke war nicht rosarot, sondern grau.
    An diesem Nachmittag sahen wir uns ein Ballspiel an. »Joy« war die beliebteste Sportart, verlangte den Spielern jedoch einiges ab. Der Ball durfte geschossen, gedribbelt oder geworfen werden – nur festhalten war nicht erlaubt. Und die Geschwindigkeit, in der die beiden Mannschaften über das Feld hetzten, war mörderisch. Aus diesen Jungen würde der Trainer demnächst die Mannschaft für die Wettspiele zwischen den Schulen festlegen.
    Auch Lucky war auf dem Platz. Er sehnte sich danach, zu den Joyspielern zu gehören, aber jeder von uns wusste, dass er gegen die Athleten aus der Sportklasse keine Chance hatte. Trotzdem feuerten Charity und Peace ihn kreischend an.
    Es half wenig; gerade
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