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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition)
Autoren: Lena Klassen
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ich nur in meinen Träumen ein, aber wenn sie es so wollte, bitte schön.
    »Willkommen, Moon. Ich wünsche eine gute Fahrt.« Die pinkfarbene Kugel erkannte ihre Besitzerin, sobald sie die Hände aufs Lenkrad legte, und spulte die Begrüßungsformel herunter. Moon legte den Gang ein und der Wagen rollte leise schnurrend los. Geübt fädelte meine Freundin sich in den fließenden Verkehr ein.
    »Wann machst du denn endlich den Führerschein?«, fragte sie mich.
    »Ähm … mal sehen.«
    Moon warf mir einen prüfenden Blick zu, bevor sie schnell wieder nach vorne sah. Der Abstandsmesser hielt die Fahrzeuge in gleichmäßigem Abstand voneinander fern, aber ganz ausgereift war diese Technik noch nicht, wie Moon schmerzhaft festgestellt hatte – zum Glück hatte es nur ein paar Kratzer gegeben. Damals hatte Inas Abstieg zu Irina begonnen.
    »Du verschweigst mir doch irgendwas.« Moon lachte und schüttelte den Kopf. »Ach, Pi, komm schon. Was ist los?«
    »Ich hatte mich schon angemeldet.« Ich schaute sie lieber nicht an, sondern blickte nach vorne durch die Windschutzscheibe. »Leider bin ich beim Vortest durchgefallen.«
    »Bei was für einem Vortest?«
    »Soll das heißen, du hattest keinen?«
    »Nicht unter diesem Begriff. Was war das denn für ein Test?«
    Ich schluckte. Es war mir immer noch zu peinlich, darüber zu reden. »Sehen, Hören, Reaktionsschnelligkeit.«
    »Ah.« Mehr sagte sie nicht.
    »Tja.« Mehr gab es eigentlich auch nicht zu sagen.
    »Du bist nicht dumm, Pi, auch wenn du manchmal etwas langsam bist.« So war Moon. Sie versuchte immer, mich zu ermutigen.
    Der Wagen schoss auf die Ausfahrt. Ich traute meinen Augen kaum, als Moon die Hand ausstreckte und den Geschwindigkeitsbegrenzer abschaltete. »Lass dir das von niemandem einreden.«
    »Moon …?« Meine Stimme schraubte sich etwas höher.
    »Ich weiß«, meinte sie fröhlich. »Streng verboten.«
    »Sie fahren zu schnell«, beschwerte sich die automatische Stimme, die sich leider nicht abschalten ließ. Moon drehte dafür die Musik lauter und sang mit.
    Wir flogen förmlich dahin. Mein verschwommenes Sichtfeld wurde etwas klarer, während die Grenzpfähle an uns vorüberglitten. Die Straße führte uns über offenes Grasland direkt nach Bezirk Eins, dessen Wolkenkratzer sich wie überlange Zähne in den Himmel gruben. Das Zentrum von Neustadt, sein Herz und seine Seele, seine Krallen und sein Maul, bereit zum Zuschnappen: die City. Von uns in Bezirk Vier waren es schlappe dreißig Kilometer bis in die Randzonen der Einkaufsmeilen, doch Moon gab sich nie mit den billigeren Geschäften zufrieden.
    »Der Verstoß wird gemeldet«, kündigte Irinas automatische Stimme missbilligend an. »Die Übertretung der Höchstgeschwindigkeit um fünfzig Stundenkilometer wird Sie dreihundert Mariolen kosten.«
    »Macht nichts.« Moon ließ das Fenster hinuntergleiten. Der Wind fuhr in ihre Haare und trieb mir die Tränen in die Augen. »Das muss heute einfach sein. Dann bekomme ich halt nächsten Monat kein Taschengeld.«
    Erst als wir auf die Zufahrt zum Zentrum einbogen, drosselte sie die Geschwindigkeit.
    »Hu, ich kann diese freie Fläche nicht ausstehen«, meinte sie. »Das Ödland ist nicht so mein Fall. Ich stell mir immer vor, was ist, wenn wir liegenbleiben. Ist doch möglich. Bis der Abschleppdienst da ist, müssten wir dann da … warten. Da vergeht sogar mir die Lust zum Tanzen.«
    Durch den hohen Zaun zu beiden Seiten der Straße sah man das Gras, das in unregelmäßigen Büscheln wuchs und in dem es mit Sicherheit von Insekten und Parasiten wimmelte. Der breite Streifen Grün machte Moon nervös, obwohl der Zaun einen liegen gebliebenen Autofahrer davon abgehalten hätte, durchs Gras zu wandern und sich mit sonst was anzustecken. In nördlicher Richtung, in ausreichender Entfernung von der Straße, lagen die großen Hallen mit den Gewächshäusern von Bezirk Sechs. Dort wurde das Grün natürlich im Zaum gehalten und gedieh unter strenger Aufsicht.
    »Könntest du dir vorstellen, über Gras zu gehen?«, fragte Moon, die sich bei dem Gedanken schüttelte. »Stell dir vor, in der richtigen Wildnis haben sie gar keine Straßen und müssen dort immer über dieses Gestrüpp. Wie kann man nur so leben?«
    Sie wurde langsamer, und Irina meldete sich zu Wort. »Fahren Sie bitte weiter.«
    »Vielleicht haben die Wilden gar keine Schuhe und gehen barfuß durchs Gras?«, schlug ich vor, obwohl allein die Vorstellung einem den Magen umdrehte.
    Moon rollte mit
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