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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition)
Autoren: Lena Klassen
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wurde er wieder von Zeus überholt, dem breitschultrigen Muskelpaket aus unserem Jahrgang, der seinem Namen alle Ehre machte. Heute hatte er einen richtig guten Tag. Er behauptete sich sogar gegen Orion, der seinen ärgsten Konkurrenten normalerweise mühelos in die Tasche steckte. Sie waren wie Tag und Nacht, der blonde Zeus und der schwarzhaarige Orion. Wir aus der Elf waren natürlich alle für Zeus.
    »Zeus! Zeus! Zeus!« Charity und Peace übertönten mit ihrem Geschrei sogar die jubelnden Mädchen aus der Zwölften, die Orion anfeuerten. Wenn Moon mich gelassen hätte, hätte ich vielleicht auch mitgemacht, doch sie fand, dies sei mit ihrer Würde nicht vereinbar.
    Zeus winkte uns beim Vorbeirennen zu und warf Peace eine Kusshand zu.
    »Oh, ist der süß«, schmachtete Charity.
    Ein so auffällig guter Sportler hatte natürlich eine Karriere als Profispieler vor sich; sein Körper war von Kopf bis Fuß darauf abgestimmt. Die meisten Mädchen fuhren voll auf ihn ab. Ich fand ja, dass Orion besser aussah. Als Wartezimmergefährten musste man schließlich zusammenhalten.
    Neben mir rang Jupiter nervös die Hände. Ihn ließ man nicht mal in die Nähe des Spielfelds. »Oh, oh …«, jammerte er und knabberte an seinen Nägeln.
    Unsere Augen begegneten sich.
    »Manchmal denke ich, das kommt einem Krieg ziemlich nahe«, murmelte er entschuldigend.
    Vielleicht hatte er da sogar recht. Im Sommer würde es ein Spiel geben zwischen den besten Mannschaften aus Neustadt, Friedensreich und Glücksstadt. Eine Art Olympiade, die den alten Geist des sportlichen Wettkampfs wieder aufleben lassen sollte. Irgendwie ein Widerspruch in sich, dass der neue Mensch um den Sieg kämpfen sollte, aber das Fest versprach Mengen an ausnahmsweise erlaubten ungesunden Schleckereien mit echtem Zucker, deshalb hofften wir alle, dass unsere Schule eine Mannschaft stellen durfte und wir ebenfalls in den Genuss der Feierlichkeiten kamen.
    »Ich dürfte es ja gar nicht wissen, aber … letztes Jahr hat einer der Spieler seine Welle verpasst«, sagte Jupiter und lenkte mich von dem Duell zwischen Orion und Zeus ab, das gerade da unten stattfand.
    Moon musterte ihn entsetzt. »Er hat seine Welle verpasst? Aber das ist doch ungesetzlich!« Sobald der Körper mit wilden Gefühlen in Kontakt kam, war er verdorben. Das war schlimmer als jede Krankheit, und dafür gab es nur eine Konsequenz. »Haben sie ihn sofort in die Wildnis hinausgeworfen?«
    Bevor Jupiter antworten konnte, mischte sich Merkur ein, der in der Bank hinter uns saß. »Du schwindelst. Das ist gar nicht möglich. Wenn man nicht pünktlich kommt, suchen sie einen. Und noch dazu ein Spieler, der in der Öffentlichkeit rumläuft? Das ist ein Gerücht.«
    »Ist es nicht.« Jupiter ließ das nicht auf sich sitzen. »Glaubst du, ich denke mir das aus? Mein Onkel ist für die Nachrichten tätig. Es kam bloß nicht im Fernsehen, weil sowas keiner sehen will. Aber er hat es bei uns zu Hause erzählt. Der Spieler hat es versäumt, zwischen den Wettkämpfen zum Arzt zu gehen, weil die Spiele an einer anderen Schule stattfanden, und die Schulärzte glaubten, der jeweils andere habe ihm die Welle gegeben.«
    »Was ist passiert?«, fragte Moon.
    »Er ist gestorben, bevor sie ihn in den Krankentransport setzen konnten.«
    »Man kann daran sterben? Ich dachte, nur das Erbgut wird vergiftet?«
    Das kam uns allen recht unglaubwürdig vor, aber Jupiter knurrte bedrohlich, als wollte er sich auf den Nächsten stürzen, der ihm widersprach.
    »He, he«, meinte Merkur beruhigend, »kann ja sein, dass dein Onkel das erzählt hat. Aber er hat’s vielleicht falsch mitgekriegt.«
    »Es war so«, beharrte Jupiter. Seine käsige, blasse Haut nahm ein entschlossenes Rosa an.
    »Du kannst ja ausprobieren, was passiert, wenn du dir deine Welle nicht abholst«, meinte Moon, immer die Liebenswürdigkeit in Person. »Ob du dann gleich stirbst oder erst draußen in der Wildnis. Ich meine, kommt es da überhaupt noch auf den Zeitpunkt an?«
    »Er ist gestorben? Echt?«, flüsterte Charity und starrte Jupiter gebannt an.
    »Wenn ich es doch sage.«
    »Wow.«
    Das erste Tor fiel und wir hatten gar nicht mitbekommen, wer es vorbereitet hatte. Pflichtschuldigst jubelten wir und setzten dann unser Gespräch fort. Es war natürlich Unsinn, klar. Jeder von uns wusste das. Außerdem ein heikles Thema, das uns ziemlich großen Ärger einbringen konnte. Man redete nicht darüber, die Welle zu verpassen. Allein die Vorstellung war
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