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Wikingerfeuer

Wikingerfeuer

Titel: Wikingerfeuer
Autoren: Shirley Waters
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zu dem Händler vor, um ihm von dem Fass herunterzuhelfen. Der Franzmann flehte zu Martin und mehreren anderen Heiligen, dass sie ihn davor bewahren sollten, ins Wasser zu fallen, während er sich linkisch zur Bordwand kämpfte und dann einen langen Schritt auf den schwarzen Felsen wagte. Dort schlitterte er mit wedelnden Armen auf dem von Algen glitschigem Boden herum.
    Mittlerweile war der Sturm kaum mehr als eine böse Erinnerung, doch es hatte zu regnen begonnen. Rouwen überlegte, ob sie versuchen sollten, das Regenwasser aufzufangen. Wie lange würde es dauern, bis der Durst sie alle quälte? Von den Wasserfässern war nichts mehr zu sehen. Eines war aufgebrochen und dümpelte auf der Seite, gehalten von einem Seil. Vielleicht befand sich darin noch etwas brauchbares Wasser.
    »Schaff das Fass herauf, wenn du kannst«, wies Rouwen einen der Schiffsmänner an. »Aelwulf, schneide dort einige Seilstricke ab und bring sie mir. Und du, Caedmon, kümmere dich um den Schiffseigner, bevor er über ein Möwennest stolpert und ins Meer fällt.«
    Er selbst kletterte zu einer der Truhen, öffnete sie und zerrte die Tuchballen darin heraus. Als er damit über die Bordwand auf die Felseninsel stieg, schrie Gerard auf.
    »Bei allen Heiligen, was tut Ihr mit dem kostbaren Rest meiner Ware? Genügt es nicht, dass jetzt die Fische über all die guten fränkischen Küchenmesser hinwegschwimmen, die ich in Newcastle verkaufen wollte? Jetzt beschmutzt Ihr auch noch den teuren flandrischen Brokat. Den Ballen dort hat der Bischof von Durham höchstselbst bestellt!«
    Rouwen riss den Stoff ein Stück auf, um ihn am Rest der Kastellwand festknüpfen zu können. Gerard schrillte, als zöge man ihm das Fell über die Ohren. Nur die kräftigen Hände des Sergenten Caedmon hinderten ihn daran, sich auf Rouwen zu stürzen.
    »Das wird Euch teuer zu stehen kommen!« Sein Doppelkinn wackelte empört, und er fuchtelte mit einer Faust herum. »Templer! Ich wusste doch, dass es nur Ärger bringt, einen Tempelritter mit an Bord zu nehmen.«
    »Wieso das?«, fragte Rouwen, während er in aller Ruhe den Stoff dicht über seinem und des Händlers Kopf spannte, um sie vor dem Regen zu schützen.
    Mit dieser Frage ausgerechnet aus dem Mund eines Templers schien Gerard nicht gerechnet zu haben. Er kratzte sich den sorgsam gestutzten Bart, in dem Salzkristalle klebten. »Na, weil es Rittern, die stark wie drei Männer und wahre Meister im Schwertkampf sind, nicht gut bekommt, gleichzeitig sittsame, brave Mönche sein zu müssen. Ihr wisst schon, wie ich’s meine, hm?« Da Rouwen nicht sofort antwortete, fügte er mit gedämpfter Stimme hinzu: »Wer tags stark sein muss, der will es auch nachts im Bett sein dürfen. Aber wer das nicht darf, wird rabiat. Versteht Ihr jetzt? «
    Rouwen erwog, einen Streifen von dem Tuch abzureißen und den Mann zu knebeln. »Wer tags stark sein muss, will nachts seine Ruhe. Setzt Euch unter das Tuch, Herr Gerard, und hört auf zu reden! Dann plagt Euch auch nicht ganz so schnell der Durst. Wir haben nämlich kaum noch Wasser.«
    Gerard klappte den vorlauten Mund zu. »Gott steh uns bei«, murmelte er und sackte, wo er stand, auf den Hintern nieder. Die wulstigen Hände gefaltet, begann er leise zu beten. Rouwen half dem Seemann, das Fass auf dem Felsen abzustellen, und prüfte den Inhalt. Das spärliche Wasser schmeckte ein wenig salzig; das war zu erwarten gewesen. Dennoch war es genießbar, und so hielt er Gerard die halb gefüllte Kelle, die noch an einem Haken daran gebaumelt hatte, hin.
    »Trinkt langsam«, ermahnte er ihn.
    Der Händler kostete und verzog angesichts des Geschmacks das Gesicht. Der Durst trieb ihn dazu, die Kelle zu leeren. Als er sie wieder sinken ließ, weiteten sich seine Augen, und er spuckte es aus.
    »So übel ist es nun auch wieder nicht, Herr Gerard.«
    Doch der Händler ließ die Kelle fallen und deutete mit einem zitternden Finger voraus. »Seht doch, Herr Rouwen, dort, seht!«
    Rouwen wandte sich wieder dem Meer zu. Zunächst sah er nichts in diesem schier endlosen Meeresgrau. Dann zeichnete sich ein dunkler Umriss auf einem Wellenkamm ab. Ganz deutlich sah er … Nein, das war nicht möglich.
    »Ein Schiff!«, jubelten die überlebenden Männer mit entkräfteten Stimmen. Rouwen beschirmte mit einer Hand seinen Blick.
    »Was ist es für ein Schiff?« Der Händler versuchte sich auf die Füße zu rappeln, doch er rutschte auf der glitschigen Felsoberfläche aus und setzte sich wieder.
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