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Wikingerfeuer

Wikingerfeuer

Titel: Wikingerfeuer
Autoren: Shirley Waters
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jedoch nicht zurück.
    »Trollkopf«, hörte sie Arien murmeln.
    »Der Engländer?«
    »Yngvarr!«
    Sie stieß ihn mit dem Ellbogen an. Erst als Baldvin sich durch die Reihen der Krieger schob, entspannte sich Yngvarr, ließ das Messer einmal in der Luft wirbeln, fing es geschickt am Griff auf und beugte sich über die Truhe. Sie war mit dicken Tauen verschnürt, die er schnell durchgeschnitten hatte. Mit der Klinge hob er den Deckel an.
    Alle reckten die Köpfe. Auch Rúna. Sie hielt den Atem an.
    »Wie war das noch gleich?«, fragte Yngvarr in der englischen Sprache. Er stemmte eine Faust in die Seite, während die andere Hand mit dem Messer anklagend auf den Fremden zeigte. »Nichts von Wert hattet ihr an Bord, hast du behauptet?«
    »Das war der Dicke, Trollkopf«, murmelte Arien.
    Der Engländer verzog das Gesicht, er schien dasselbe zu denken. Unwillkürlich fühlte sich Rúna von seinem Stolz beeindruckt.
    Yngvarr bückte sich. Er zog einen dicken, mit goldenen Fäden und roten Edelsteinen bestickten Stoff aus der Truhe. »Was ist das?«, fragte er.
    »Ein Geschenk«, erwiderte der Engländer.
    »Und das?« Yngvarrs Pranke zerknüllte einen weißen, glänzenden Stoff. Das war Seide, wusste Rúna. Sie kam über verschlungene Wege aus dem Osten, aus der Rus. Ihre verstorbene Mutter hatte als Frau des Häuptlings der Yoturer zwei Hausgewänder aus Seide besessen.
    »Ebenso.«
    »Und für wen waren diese Gaben gedacht?«, fragte Yngvarr, während er weiter in der Truhe wühlte und Gefäße aus Silber und auch aus schlichter Keramik zutage förderte. Dazu gut gearbeitete Messer, teils verziert. Weitere Stoffe. Und Bücher. Der Engländer ballte die Fäuste, als Yngvarr die Eisenschließen eines solchen Buches öffnete, es aufschlug und sich anschickte, mit der Messerspitze die Seiten zu zerschneiden.
    Arien hustete, bevor er empört hervorbrachte: »Er macht das wirklich!«
    Doch Yngvarr war nicht so dumm, kostbare Beute zu zerstören, nur um den Christen zu ärgern. Er schlug das Buch wieder zu und warf es in die Truhe. »Für wen, Engländer?«
    »Was geht’s dich an«, schnaubte dieser.
    Arien hustete wieder. »Weiß er nicht, wie wütend er Yngvarr macht?«
    Er weiß es , dachte Rúna.
    Anerkennend pfiff Yngvarr, als er eine goldene Kette aus der Truhe zog. Das Sonnenlicht brach sich in einem geschliffenen Kristall in einer goldenen Fassung.
    Die Knöchel an den Fäusten des Engländers wurden weiß. Auf den Handrücken traten Adern hervor.
    Für wen mag dieser Schmuck gedacht gewesen sein? , überlegte Rúna. Angespannt wartete sie, dass Yngvarr diese Frage stellte – und was der Fremde antworten würde.
    Doch nun trat Baldvin vor. Er besaß muskulöse Arme und war stämmig, jedoch nicht eben groß, sodass er zwischen den Kriegern wie ein Zwerg aus alten Geschichten wirkte. Ebenso grimmig blickte er um sich. Immer noch hielt er sein blutverschmiertes Schwert in der Hand – mochte er klein und mit seinen fünfundvierzig Jahren nicht mehr der Jüngste sein, so war er doch immer noch ein gefürchteter Schwertmann.
    Er hob die Klinge und berührte mit ihrer Spitze die feine Goldkette. Yngvarr ließ los, und so glitt sie hinunter bis zum Heft, wo sie blutbesudelt hängen blieb. Rúna entging nicht, dass der Engländer das Geschehen unter seinen gesenkten Lidern genauestens verfolgte. Er war angespannt wie jemand, der jeden Augenblick losstürmen wollte. Leicht wippte er auf den Fersen seiner Stiefel. Die Lanzenspitzen im Nacken stupsten ihn warnend an, sodass er den Kopf noch tiefer senken musste.
    Baldvins wasserblaue Augen musterten ihn von oben bis unten. Er schien zu überlegen, ob er den Lanzenmännern den Befehl geben sollte, ihn zu töten. Seine knorrigen Finger rieben den geflochtenen Bartzopf.
    »Du stammst aus einem reichen Stall«, sagte er langsam. »Ich nehme an, dass man dort bereit ist, einiges für deine Freilassung springen zu lassen.«
    Erleichtert bohrte Rúna die Finger in Ariens Arm, sodass er leise fluchte und sich von ihr losmachte. Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. Was scherte sie das Schicksal dieses Mannes namens Rouwen? Er war gefährlich, und es wäre besser, wenn er starb.
    »Ein Christenstall«, warf Yngvarr ein. Er deutete auf das blutrote Kreuz an Rouwens Arm. »Ihr Gott wurde an hölzerne Balken genagelt, ohne dass er sich wehrte, und dafür beten sie ihn an. Ihre Priester sagen, ein Christ solle den Kopf hinhalten, wenn ihn einer schlägt.«
    »Dann ist der da wohl
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