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Wieweitdugehst - Wieweitdugehst

Wieweitdugehst - Wieweitdugehst

Titel: Wieweitdugehst - Wieweitdugehst
Autoren: Friederike Schmöe
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aus?«
    Schlagartig fiel ihm ihr Name ein. Sandra Berlin. Das klang nach einem Pseudonym, aber sie hieß wirklich so.
    »Ein Kind, Frau Berlin«, insistierte er. »Wer sollte ein Kind umbringen wollen? Der Bub war gerade mal 14. So ein dünnes Kerlchen.« Er streckte die Hände vor und deutete einen Durchmesser von nicht mehr als 30 Zentimetern an.
    »Wir warten auf den rechtsmedizinischen Befund, wir ermitteln in alle Richtungen, und wir finden etwas«, sagte Sandra Berlin lächelnd. »Und Sie gehen nach Hause und ruhen sich aus. Bitten Sie Woncka um ein paar freie Tage. Er frisst Ihnen doch aus der Hand.«
    »Woncka – mir?« Verblüfft sah Nero in Sandras tiefblaue Augen.
    Sie strich sich die Locken zurück.
    »Manches macht eben die Runde, und ich habe gehört, Woncka hält große Stücke auf Sie. Freuen Sie sich doch, er ist ohnehin schwer zu ertragen, seit er eine neue Freundin hat.«
    »Woncka hat eine Freundin?« Das klang in Neros Ohren, als sei der Mount Everest um die Hälfte gekürzt worden. Über Nacht.
    »Wo leben Sie? In der Gummizelle?«, fragte Sandra lachend. »Er hat eine Frau kennengelernt und gefällt sich in der Rolle des Galan. Immer schick angezogen. Hat sich neue Anzüge schneidern lassen. Nach Maß.«
    »Warum ist er ungenießbar, wenn er …«
    »Es handelt sich um eine sehr forsche junge Dame. 25 und frisch von der Uni. Hat sich hier beworben. Woncka ist ihr auf den Leim gegangen.« Sandra blinzelte ihm zu. »Bis bald, Herr Keller.« Sie drehte sich um und ging in den Besprechungsraum zurück.

8
    Sandra Berlin klingelte Punkt 20.30 Uhr an der Tür eines Einfamilienhauses in Laim. Neben ihr trat Marek Weiß von einem Fuß auf den anderen. »Du weißt, wie ich das hasse«, murmelte er.
    »Dann lass mich reden.«
    Eine Frau öffnete die Tür. Sie trug eine bestickte Bluse und einen weiten Rock. Beides erinnerte an Folklore. Lange Ponyfransen hingen ihr in die Stirn. »Ja?«
    »Sind Sie Astrid Nedopil?«
    Die Frau nickte. Sie war blass. Sie weiß es, dachte Sandra. Sie spürt es.
    »Ich bin Hauptkommissarin Sandra Berlin. Mein Kollege, Marek Weiß. Wir sind vom Landeskriminalamt. Dürfen wir einen Moment hereinkommen?«
    »Ist was mit Marius? Er müsste längst zu Hause sein. War mit seinen Freunden auf der Wiesn.«
    Sandra fand, dass Astrid Nedopil krank aussah. Fahrig kramte sie eine Brille aus einer Handtasche, die auf dem Garderobenbord stand, und setzte sie auf die Nase. Sie vergrößerte ihre Augenpartie ins Skurrile.
    »Setzen Sie sich.« Astrid Nedopil ging den Polizisten voraus in ein chaotisches Wohnzimmer. Socken auf dem Tisch, neben einem halb aufgegessenen Guglhupf und irgendwelchen technischen Teilen aus einem Elektronikbaukasten, der mitten auf dem Teppich stand.
    »Mein Sohn bastelt gern.« Astrid Nedopil wies auf zwei Sessel. Sie selbst setzte sich aufs Sofa.
    »Wir müssen Ihnen mitteilen, dass es auf der Wiesn ein Unglück gegeben hat«, sagte Sandra. »Ihr Sohn ist von einem Stromschlag getroffen worden. In der neuen Geisterbahn. Er ist tot.« Sie leckte sich die trockenen Lippen. Das Schlimmste war geschafft. Sie hatte ihre Sätze abgespult, ohne Zögern, ohne Stottern. Sie hatte es einfach getan. Es half ja nichts. Warten, um den heißen Brei herumreden, machte alles noch viel schlimmer.
    Astrid Nedopil wurde noch blasser. In dem schmalen Gesicht war kein Farbschimmer mehr zu sehen.
    »Tot?«, fragte sie.
    »Der Stromschlag kam von einer Figur in der Bahn. Wir warten noch auf den rechtsmedizinischen Befund, aber wir nehmen an, dass Ihr Sohn sofort tot war. Der Strom floss direkt in seinen Brustkorb. Wahrscheinlich ist er an einem Herzstillstand gestorben.« Das klingt jetzt geschwollen, dachte Sandra.
    »Aber …«
    »Er fuhr allein in einer Gondel«, schaltete Marek Weiß sich ein. »Seine Freunde waren alle zu zweit, er allein.«
    »Das kann nicht sein!« Astrid Nedopil sprang auf. Sandra fürchtete, sie würde mit dem Kopf gegen die Wand rennen. Neben ihr spannte Marek die Muskeln an. Der springt zur Not auf und hält sie fest, dachte Sandra und legte dem Kollegen kurz die Hand aufs Knie.
    »Frau Nedopil, wir brauchen noch ein paar Informationen von Ihnen«, sagte sie. »Die sind wichtig, damit wir diesen Fall aufklären können.«
    »Fall?« Astrid Nedopil drehte sich um. In ihren Augen schwammen Tränen, grotesk vergrößert von ihren Brillengläsern. »Fall?«
    »Das war kein Unfall«, brachte Sandra ihr Hauptproblem auf den Punkt. »Davon können wir mit
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