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Wieweitdugehst - Wieweitdugehst

Wieweitdugehst - Wieweitdugehst

Titel: Wieweitdugehst - Wieweitdugehst
Autoren: Friederike Schmöe
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der sicheren Seite. Gönnerhaft meistens, übersteigert selbstsicher, bis zum Scheitel voller Testosteron: Sie hat mich angemacht. Sie wollte das. Pah! Bianca schob ihr Notebook in die Schultertasche und wandte sich zu der Polizistin um, die schon seit Minuten in der Tür lehnte und auf eine Antwort wartete.
    »Anzeige?«, fragte die Kollegin.
    »Anzeige.« Den Kerl, der eine 14-Jährige betatscht hatte, wollte sie drankriegen. Bianca wies auf ihr Handy. Heute Abend klingelte es alle drei Minuten. »Moment.«
    »Wir haben einen Anschlag auf die Wiesn«, sagte ihr Vorgesetzter, ehe sie sich mit ihrem Namen melden konnte.
    »Was?« Bianca hob den Kopf und hielt das Telefon ein Stück vom Ohr weg. Sie lauschte, als erwartete sie eine Explosion, Massenpanik, Hysterie.
    »In ›The Demon‹. Das ist die neue Geisterbahn.«
    »Geisterbahn«, wiederholte Bianca. »O. k.« Gleichzeitig fragte sie sich, ob es überhaupt noch Geisterbahnen gab.
    »Ich will, dass alle verfügbaren Kräfte augenblicklich bereitstehen.« Es klickte, als er auflegte.
    »Natürlich«, sagte Bianca und starrte auf ihr Handy. Ein Anschlag war eine größere Sache als sexuelle Belästigung, Missbrauch und so weiter.
    »Was ist jetzt?«, fragte die Polizistin.
    »Rufen Sie so viele Leute zusammen, wie wir heute Nacht entbehren können!« Bianca ließ die Kollegin stehen und ging in den halbdunklen Vernehmungsraum, in dem ein kleiner, magerer, nach einer Überdosis Aftershave riechender Mann saß und sie unverschämt angrinste. Sie schaltete das Licht ein.
    »Ich habe nichts gemacht, Frau Kommissarin!« Er streckte die kurzen Beine aus. »Ich habe nichts gemacht.«

7
    Nero Keller betrachtete seine Hände. Es tat ihm leid für Freiflug. Seine Beförderungsfeier war in einem Desaster geendet. Es tat ihm leid für Kea, die er mit Engelszungen überredet hatte mitzukommen. Es tat ihm leid für sich selbst. Er hasste die schwarzen Ränder unter seinen Fingernägeln, aber er war nicht dazugekommen, sich zu waschen, sich zu besinnen oder auch nur eine ruhige Minute mit Kea zu telefonieren. Sie wurde jetzt vernommen, aber sie war nicht in der Bahn gewesen, und die Soko Geisterbahn würde sich zunächst auf die Zeugen stürzen, die während der Unglücksfahrt auf dem Weg durch das Gruselkabinett gewesen waren.
    »Mit einem Mal blieben die Gondeln stehen. Der Strom fiel aus, kein Heulen, kein Jaulen mehr«, wiederholte Nero und kam sich vor wie in einer Endlosschleife. Den Kollegen, der ihm gegenüber saß, kannte er vom Sehen. Ein patenter Typ, vielleicht Anfang 30, sehr kurz geschnittenes, aschblondes Haar, Sweatshirt, eine Schlangentätowierung am linken Arm, wo normalerweise die Armbanduhr saß. Die trug er rechts. Oberkommissar Marek Weiß war Linkshänder.
    »Noch einen Kaffee?«
    »Danke, nein.« Nero streckte die Beine aus. Er fühlte sich unendlich müde.
    »Der Junge ist tot«, erläuterte Marek Weiß. »Der Sensenmann war manipuliert. Jemand hat die Isolierung an der Hand weggekratzt. An sich nicht schlimm, aber die Figur hat den Arm nicht mehr weggezogen, als sich der Junge in seiner Gondel näherte. Die Hand des Sensenmannes hat sich auf seine Brust gelegt. Haben Sie ihn schreien hören?«
    »Nein. Ich habe nichts gehört, nichts gesehen. In ›The Demon‹ blitzt und scheppert es an allen Ecken und Enden.«
    »Die Presse sitzt schon in den Startlöchern. Die ersten Blogs im Internet wittern Skandale und Sensationen. Fordern, das Oktoberfest zu schließen. Ende, aus. Dabei haben sie erst vor vier Tagen eröffnet.«
    »Haben Sie den Jungen identifiziert?«, fragte Nero.
    »Er war mit einem ganzen Trupp Kumpels auf der Wiesn. Die Mutter eines dieser Buben hat die Gruppe begleitet. Sie war aber nicht mit in der Geisterbahn, sondern kaufte solange für die Bande was Süßes. Marius Nedopil heißt das Opfer. 14 Jahre alt. Seine Eltern lebten getrennt, sein Vater ist vor ein paar Monaten gestorben. Der Name wird vorerst unter Verschluss gehalten.«
    Nero kniff die Lider zusammen. Den Blick klein halten, um das Elend nicht zu sehen. »Soweit ich weiß, haben sämtliche Festzelte und auch die Fahrgeschäfte eine zweite Stromversorgung«, sagte er, um auf ein Terrain zurückzufinden, in dem der Tod keine Bedeutung hatte. Eben nur ein Fall war. Wie alle, an denen er gearbeitet hatte, damals, bei der Mordkommission in Fürstenfeldbruck.
    »Haben sie. Die war ausgeschaltet. ›The Demon‹ lief nur noch auf einem Kabel, dann knallte die Sicherung durch, die
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