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Wieweitdugehst - Wieweitdugehst

Wieweitdugehst - Wieweitdugehst

Titel: Wieweitdugehst - Wieweitdugehst
Autoren: Friederike Schmöe
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schrill vor Panik.
    »Und mein Freund mit seinen ganzen Kollegen, das halbe LKA.« Ich rutschte aus. Die andere hielt mich fest. Dann ging die Notbeleuchtung an. Ein grüner Lichtschein, der aus dem Nirgendwo zu kommen schien.
    »Schauen Sie! Auf dem Boden! Wie im Flugzeug«, flüsterte sie.
    Ich sah längliche Pfeile, die zum Ausgang wiesen.
    »Nero?«, schrie ich.
    Keine Antwort. Mein keuchender Atem hallte im Dunkel wider. Irgendwo weit weg meinte ich, eine Bewegung zu sehen, als gleite eine der Gruselfiguren in Eigenregie davon. Wir folgten den Schienen, auf denen die Bobs rollten.
    »Verstehen Sie, warum jemand sich freiwillig fürchten will?«, fragte ich halblaut.
    »Ja. Als Test. Um sich nachher zu freuen, dass alles nur eine Täuschung war.«
    Jemand kam auf uns zu. Ich blinzelte. Sah eine kleine Gestalt, die sich durch die Finsternis tastete.
    »Hier ist der Ausgang!«, rief ich.
    »Mom!« Meine Begleiterin stieß mich beiseite und lief auf die Frau zu, die ihr entgegentaumelte. Die Ältere wäre beinahe gestürzt, aber die Jüngere fing sie auf und drückte sie an sich. »Mom.«
    »Nero?«, schrie ich.
    »Kea!«
    Hatte ich ihn wirklich meinen Namen rufen hören, oder hatte ich mich getäuscht?
    »Nero, wo seid ihr, zum Teufel!«
    Hinter mir wurden die Klapptüren der Bahn mit Gewalt aufgerissen. Tageslicht flutete herein. Geblendet schloss ich die Augen. Kerle in voller Feuerwehrmontur stürmten die Geisterbahn und kommandierten: »Kommen Sie raus, kommen Sie raus!«
    Ich wehrte mich, sah Sigrun West aus den Tiefen von ›The Demon‹ auf mich zukommen, an jeder Hand einen Jugendlichen.
    »Wo ist Nero?«, schrie ich ihr entgegen. »Wo ist Nero?«
    Neben ihr tauchte Markus Freiflug aus. Das lange Haar aufgelöst, schob er mit Krögers Hilfe Dirndl-Vicky und zwei weitere Buben dem Ausgang entgegen.
    »Wo ist Nero?« Mir wurde übel vor Angst. Und heiß.
    Sigrun stand neben mir. »Los, raus!«
    Ich sah das Flackern in ihren Augen, während ich der Hand des Feuerwehrmannes endlich nachgab, die mich zum Rückzug zwang.

4
    Im Licht der Notbeleuchtung beugte sich Nero Keller über den Jungen, der auf dem Gondelsitz in sich zusammengesunken war.
    »Bodo, schnell!«
    Sie hievten den Körper hoch und legten ihn zu Füßen des Sensenmannes ab.
    »Kein Puls«, sagte Bodo Roderick. »Zu spät.«
    Nero keuchte. Nur nicht aufgeben. Herzdruckmassage. »Jetzt du!«
    Roderick gab Mund-zu-Nase-Beatmung.
    Nero zählte mit. Sie hatten den Rhythmus bei der letzten Fortbildung eingeübt. Roderick war ihm nicht besonders sympathisch, aber die Zusammenarbeit klappte immer. Ob sie hinter Rechnern saßen oder einen Lehrgang in Erster Hilfe absolvierten.
    Nero lauschte auf Rodericks Atemzüge, auf die wenigen Geräusche, die in das Innere der Bahn drangen. Die Stille war gespenstischer als alles Heulen, Winseln und Jaulen zuvor.
    »Das Herz ist stehen geblieben. Nichts zu machen«, keuchte Roderick.
    »Nicht aufgeben! Das ist ein Kind.« Dankbar dachte Nero daran, dass Sigrun und Kröger die anderen Jugendlichen eingesammelt hatten. Noch wuselten irgendwo im Körper der Geisterbahn Leute auf der Suche nach dem Ausgang herum. Nachdem die Klimaanlage ausgefallen war, wurde es schnell stickig und heiß. Aber Nero hatte die Sirenen gehört. Er wusste, dass keine Gefahr bestand. Keine echte Gefahr. Außer für diesen Jungen, dessen Herz ausgesetzt hatte und nun nicht wieder anspringen wollte. Kann das passieren?, fragte er sich, während er im Takt seines eigenen Kommandos den schmalen Brustkorb traktierte. Der Junge war 13, vielleicht 14, noch ein richtiges Kind. Blass, aber das konnte auch an der grünen Beleuchtung liegen.
    Nein, es liegt nicht an der Beleuchtung. Er ist tot. Wir haben ihn viel zu spät gefunden, dachte Nero.
    Roderick wies auf den Sensenmann. »Der hat seine Hand nicht zurückgezogen, als die Gondel an ihm vorbeikam. Das war Absicht. Die Isolierung ist ab. Schau mal.«
    »Los, beatme ihn.« Erschöpft lehnte Nero sich gegen die Gondel. Der Geruch nach verschmortem Kunststoff verursachte ihm Übelkeit. In der Enge konnte er sich kaum bewegen.
    »Sei vorsichtig, wer weiß, was hier noch alles unter Strom steht.« Roderick kniete sich über den Bub. »Hat er geschrien?«
    Nero hob den Kopf. Er hörte Schritte, sah den Lichtkegel einer Taschenlampe.
    »Notärztin kommt!«, rief eine Stimme.
    »Hier herüber! Hier liegt ein Kind. Bewusstlos.«
    ›Tot‹ wollte er nicht sagen.

5
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