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Wie viel kann eine Frau ertragen

Wie viel kann eine Frau ertragen

Titel: Wie viel kann eine Frau ertragen
Autoren: Anni Schwarz
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Vater ausgeliefert hat. Und meine Stiefmutter stand daneben und hat die ganze Zeit zu meinem Vater gesagt: „Du sollst sie nicht so sehr schlagen!“ Als ob diese Worte mir helfen würden! Wenn ich ihr doch so wichtig gewesen wäre, hätte sie es meinem Alten nicht erzählt! Sie hätte es auch mit mir klären können. Unser Vater war ihre „Waffe“ gegen uns. Sie wusste, dass wir alle sehr viel Angst vor ihm hatten. Und so wurde diese „Waffe“ eingesetzt. Für mich war das erst der Anfang von sehr vielen gleich ablaufenden „Veranstaltungen“, die noch auf mich warteten. Und noch andere Erlebnisse sollten mein Leben „bereichern“.
     
    Das andere Erlebnis war, dass ich abends, es war schon dunkel, mit meiner Cousine und anderen Kindern draußen Packen gespielt habe. Wir waren etwa fünfhundert Meter von unserem Zuhause entfernt. Als meine Schwester Elvira abends wegging, hatte mein Vater zu ihr gesagt, sie sollte mir ausrichten, dass ich nach Hause gehen soll. Sie hatte mir es auch mitgeteilt, aber so wie die kleinen Kinder sind, ich war damals neun Jahre, bin ich nicht gleich nach Hause. Vergessen? Weiß ich nicht mehr. Fakt war, mein Vater holte mich mit einem ganz schmalen Holzzweig ab. Er hat mich mit diesem Zweig den ganzen Weg geschlagen. Den schmalen Holzzweig und seine Fußtritte hatte ich den ganzen Weg nach Hause auf meinem Körper gespürt. Zu Hause angekommen, war es noch nicht alles. In meinem Zimmer war die Ecke schon vorbereitet, und zwar mit vielen trockenen Erbsen. Sie wurden ganz einfach in die Ecke geschüttet und ich durfte mich auf diese Erbsen mit meinen Knien daraufstellen. Aber bitte ohne Strumpfhose, damit die Erbsen bloß die nackte Haut erreichen. Dieses durfte ich eine ganze Stunde genießen. Als ich vom Knien aufstand, klebten die Erbsen an meinen Knien und ich konnte mich kaum bewegen, es tat mir alles so weh. Er ging mit mir schlimmer um als mit dem Vieh. Oh, ich hasste diesen Vater und sie dazu! Er war nie ein Vater, er war ein Erzeuger, ein Ernährer, ein Schläger und ein Züchtiger … Nicht der Vater hat uns beschützt, man hätte uns vor dem Vater beschützen müssen …
     
    Im Haushalt hat unsere Stiefmutter nicht so viel gemacht, weil sie schwanger war. Im Dezember 1969 bekam sie ihren Sohn, der siebenmonatig zur Welt kam und kurze Zeit später starb. Mein Vater und Stiefmutter waren sehr traurig. Ich dagegen hatte zu diesem Jungen keine Beziehung und irgendwie war ich auch froh, dass wir ohne kleines Kind weiterleben konnten. Ja, so habe ich zu der Zeit gedacht. Nach diesem Ereignis war es bei uns zu Hause irgendwie alles wieder anders als vorher.
    Meine Stiefmutter kam zu uns, es war alles da, im Grunde hat sie sich ins fertige Nest gesetzt. Meine Mama hat dafür viel gearbeitet, sie wollte auch mal aus diesem Dorf wegziehen. Sie wollte für ihre Kinder auch das Beste, aber unser Vater wollte nicht aus diesem „russischen Dorf“ wegziehen. Und so konnte meine Stiefmutter unseren Vater überreden, aus diesem Dorf wegzuziehen, sie hat immer den Ton angegeben. Die Eltern haben dann nach einer Möglichkeit gesucht, um in ein deutsches Dorf hinzuziehen. So wurde unser Haus verkauft und in einem deutschen Dorf ein anderes gekauft. Im März 1970, ein, zwei Wochen nach der Hochzeit meiner Schwester, sind wir dann umgezogen.
     
    Unsere Sara war in einer Näherei beschäftigt. Sie ist immer für eine Woche mit dem Bus weggefahren, weil sie da eine Wohnung hatte. Und irgendwann lernte sie ihren zukünftigen Mann im Bus kennen. Sie war noch sehr jung. Im November 1969 war sie erst achtzehn Jahre alt geworden. Ich glaube, sie wollte auch nur von zu Hause weg. Das beste Mittel dazu war die Heirat. Hauptsache, weg von diesen Beschimpfungen, Schlägen, von diesem nicht ganz normalen Vater.
    Und so hat Sara am 7. März 1970 geheiratet.
     
    Es war Spätsommer 1970. Wir wohnten schon eine ganze Weile in unserem neuen Haus. Meine Schwester und ihr Mann kamen zu uns zu Besuch. Sie war damals mit ihrem ersten Kind schwanger. Als sie mich gesehen hat, ließ sie von mir nicht mehr ab. Sie hat mich festgehalten, geweint und mich auch geküsst. Diese umwerfenden Gefühle von meiner Schwester Sara, so etwas kannte ich gar nicht mehr. Sie wollte mir meine langen Haare flechten. Ich habe mich dann auf den Stuhl gesetzt, sie hat meine Zöpfe aufgemacht und mit dem Kamm durchgekämmt. Für mich war es ein liebevoller Moment, den ich in vollen Zügen genießen konnte. Meine Schwester liebte
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