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Wie viel kann eine Frau ertragen

Wie viel kann eine Frau ertragen

Titel: Wie viel kann eine Frau ertragen
Autoren: Anni Schwarz
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geworden.
     
    Das Weihnachtsfest nahte. Unser Vater hat meinen beiden Schwestern Sara und Elvira versprochen, dass sie jede eine Armbanduhr geschenkt bekommen, und für mich sollte es eine Puppe, die „Mama“ sagt, geben. Was meine Brüder bekommen haben, das weiß ich nicht mehr.
     
    Das Leben ging weiter, mit allem Drum und Dran. Es wurde immer schlimmer mit „unserer Mutter“, sie war oft betrunken und schaffte ihre Arbeit nicht mehr. Irgendwann Anfang März 1969 hat unser Vater sie dann rausgeschmissen. So ging diese Beziehung zu Ende. Ob diese Frau mit ihrer Familie in dem Dorf geblieben ist, weiß ich nicht.
     
    Mein Vater war erst vierzig Jahre alt und Witwer mit sechs Kindern im Alter von siebzehn bis sechs Jahren. Dass er nie alleine bleiben würde und wollte, war uns allen klar. Nach dieser negativen Erfahrung wollte er doch eine Frau, die auch bereit war, ihn mit sechs Kindern zu nehmen und für sie zu sorgen. Nach kurzer Überlegung hat er sich dann zwei Wochen Urlaub genommen und ist nach Orenburg/UdSSR gefahren. Es war eine besprochene Sache, dass mein Vater eine andere heiraten würde.
    Das Mädchen, das er kennenlernte, war neunundzwanzig Jahre alt und die Älteste von zwölf Geschwistern. Ihre Mutter war nach der Geburt ihres zwölften Kindes verstorben und so übernahm sie die Erziehung ihrer kleinen Brüder und Schwestern. Ihr Vater war Alkoholiker und nach dem Tod seiner Frau wurde es immer schlimmer mit ihm. Ihre Geschwister heirateten, sie aber nicht, weil die Kindererziehung zu ihrer Aufgabe wurde. Aber als unser Vater dann da war und sie heiraten wollte, hat sie zugestimmt. Sie kannten sich gerade mal zwei Wochen. Und so haben beide am 30.03.1969 geheiratet, knapp vier Monate nach dem Tod unserer Mutter.
    Als sie nach ihrer Heirat nach Hause kamen, hat unser Vater uns diese Frau als „unsere neue Mutter“ vorgestellt. Ich war die Erste, die zu dieser Frau „Mama“ gesagt hat. Ich habe mir sehnsüchtig eine Mutter gewünscht, die mich in ihre Arme nehmen und mir über mein langes Haar streichen würde. Ich war ja noch klein und vermisste meine Mama. Ich werde meine Mama nie vergessen, und diese Frau wird immer meine Stiefmutter bleiben.
    In den nächsten Jahren wird beschrieben, dass eine Stiefmutter am Anfang recht nett ist und sobald sie alles in den Händen hält, wird sie einer bösen Stiefmutter ähnlich.
     
    Es war jetzt alles wieder anders, wir mussten uns an unsere Stiefmutter gewöhnen und sie sich an uns. An diese „Kennenlernphase“ kann ich mich nicht so gut erinnern. Nach dem Tod meiner Mutter habe ich immer nach Liebe gesucht. Meine Schwester Sara hat versucht, mir diese Liebe zu geben, aber sie war nicht meine Mutter, sie war ja auch selbst erst siebzehn Jahre jung.
    Einmal, weiß ich, hat unsere neue „Mama“ mich an sich gedrückt und gestreichelt. Es war so schön, ich empfand es als Liebe … Es war auch das einzige Mal, was mir so gut in Erinnerung geblieben ist. Zu der Zeit war sie auch nicht schwanger.
    Fast alles, was ich von Kind an bis ins Erwachsenenalter erlebt habe, ist noch immer präsent. Als ob es alles erst gestern war.
     
     
     

Unser Leben mit der Stiefmutter
     
     
    Unsere Stiefmutter war noch nicht so lange bei uns. Ich war noch klein und „frech“ und habe dann auch das nicht gemacht, was meine Stiefmutter wollte. Später, als der Vater von der Arbeit nach Hause kam, hat sie ihm alles erzählt. Dann kam mein Bruder Rudi von meinem Vater und sagte, ich soll mal in die Sommerküche gehen, da würden Vater und Stiefmutter warten. Das Ende vom Lied war, dass ich in unsere Sommerküche gehen musste und er mich über einen Hocker gelegt und mit einem schmalen Gürtel verprügelt hat. Ich hatte wahnsinnige Angst vor dem Vater und der Prügel und deshalb habe ich gebettelt, er soll mich nicht schlagen, ich würde immer alles machen, was Mutter sagen würde … Aber unser Vater war wie ein „Tier“, wenn er einen von uns unter „Beschuss“ hatte, dann gab es keine Gnade mehr für ihn. Er hat geprügelt, ohne zu überlegen, wo er hinschlägt, ob es Kopf, Gesicht, Rücken, Hände, Finger oder Po war, es spielte keine Rolle mehr. Vor Angst hatte ich mir in die Hose gemacht. Und so habe ich meine Strafe mit dem schmalen Gürtel abkassiert. Ich fühlte mich ihm ausgeliefert, es war so erniedrigend, es tat so weh, nicht nur körperlich, auch seelisch. Es war eine seelische Vergewaltigung an mir. Schon deswegen, weil meine Stiefmutter mich meinem
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