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Wie man sie zum Schweigen bringt

Wie man sie zum Schweigen bringt

Titel: Wie man sie zum Schweigen bringt
Autoren: Leena Lehtolainen
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gewohnt, so lange war ich seit meiner Jugend nicht mehr an einem Ort sesshaft gewesen. Der Umzug von Koivu und Wang ging zügig vonstatten, denn Anus Brüder und Vettern halfen fleißig mit. Wir Kollegen konzentrierten uns eher auf das Umzugsbier. Die neue Zweizimmerwohnung hatte sechzig Quadratmeter und zwei Türen, die man hinter sich schließen konnte, wenn das Zusammenleben zu anstrengend wurde.
    Am Vorabend des Mittsommertags wurde Einweihung gefeiert. Anttis Eltern holten Iida zu sich nach Inkoo, wir wollten am nächsten Tag nachkommen und zu einem Segeltörn aufbrechen. Es war weiterhin schönes Wetter angesagt.
    Antti hatte ein Brot gebacken, ich hatte mit Iida eine leere Olivendose als Salzfässchen bemalt. Eine Flasche von Koivus Lieblingsschnaps vervollständigte unser klassisches Mitbringsel. Die Gastgeber empfingen uns mit feierlichem Gesicht.
    »Sieh uns genau an«, sagte Koivu. Ich schaute hin, doch es dauerte fünf Sekunden, bis ich auf die richtige Stelle blickte. Koivu und Wang hatten sich verlobt.
    Liisa Rasilainen und ich begannen sofort mit der Planung des Polterabends, und Antti schlug Koivu vor, mit ihm den Verein Polizistinnengatten e.V. zu gründen. Puustjärvis kleine, schüchterne Frau trank zwei Glas Bowle und erklärte dann, sie wolle tanzen. Koivu schaffte es, im Wohnzimmer ein paar Quadratmeter Tanzfläche freizuräumen, auf der sich die Tanzwütigen drängten wie in den Discos meiner Jugend. Nachdem ich eine Weile zu Abba-Musik herumgehüpft war, ging ich auf den Balkon, um mich abzukühlen. Zwischen den Nachbarhäusern hindurch sah man bis zum Sportplatz, der Verkehrslärm drang nur gedämpft an meine Ohren. Eine leichte Brise ließ die Fichten auf dem Hof tanzen und trocknete den Schweiß auf meiner Stirn.
    Ich hatte nicht gewusst, wie ich Mikke danken sollte. Ein Besuch im Gefängnis ging über meine Kräfte, doch eine Karte oder ein Anruf schien mir zu wenig. Ich hatte mehrere Briefe angefangen, aber alle zerrissen. Nun hatte ich einen langen Brief von ihm bekommen. Der Inhalt war größtenteils ernst, doch an manchen Stellen blitzte Ironie auf. Als ewiger Außenseiter sah Mikke auch die humoristischen Seiten des Gefängnislebens. Es waren die lustigsten Passagen, bei denen ich am heftigsten weinen musste.
    »Ich erwarte nicht, dass du mir schreibst, aber wenn du es tust, freue ich mich natürlich. Aber bitte nicht aus Mitleid. Ich mag dich, doch ich mache mir keine falschen Hoffnungen. Endlich finde ich wieder zu mir selbst und wage es, an die Welt dort draußen zu denken. Du hattest Recht, das Meer läuft nicht davon. Ich habe schon angefangen, die nächsten Segeltörns zu planen, obwohl ich in der Bewährungsfrist nur innerhalb der Hoheitsgewässer segeln darf. Aber auch in den Schären gibt es noch viel zu entdecken.
    Ich wünsche dir und deiner Familie viel Spaß beim Segeln .  «
    Vielleicht würde ich ihm doch noch schreiben. Zeitliche und räumliche Distanz halfen offenbar nicht; um sich von schmerzlichen Gefühlen zu befreien, musste man sie durchleben. Es war sinnlos, die Erinnerung an Mikke zu verdrängen, irgendwann würde sie aufhören zu schmerzen. Mit anderen brauchte ich darüber nicht zu sprechen. Es genügte, dass ich selbst wusste, was ich empfand und was nicht.
    Taskinen riss mich aus meinen Gedanken. Unser Verhältnis war kühl geblieben, obwohl er ein paar Mal vorsichtig versucht hatte, es wieder zu verbessern. An seinen Augen sah ich, dass er leicht angetrunken war, was bei ihm selten vorkam.
    »Warm da drinnen«, sagte er behutsam.
    »Hier ist es auch nicht viel kühler«, antwortete ich leise.
    »Ich schäme mich wirklich, dass ich dem Druck nachgegeben habe. Ich habe immer geglaubt, mir könnte so etwas nicht passieren, mich könnte niemand einschüchtern. Ich habe mich für besser gehalten als die meisten meiner Kollegen. Es fällt mir nicht leicht, zuzugeben, dass ich genauso bin wie alle anderen .  «
    Seine Augen schimmerten feucht. Auch er ging gleich nach Mittsommer in Urlaub, und wir hatten ursprünglich einen gemeinsamen Segeltörn geplant. Doch davon war in letzter Zeit nicht mehr die Rede gewesen.
    »Du bist die Einzige, der ich von der Sache erzählt habe. Die anderen sind nur Kollegen, keine Freunde. Wir sind doch noch Freunde? «
    Meiner Meinung nach verdiente jeder eine zweite Chance. Daran hielt ich sogar fest, wenn ich es mit Mördern zu tun hatte, beispielsweise mit Mikke. Warum sollte ich Taskinen nicht verzeihen können, zumal er
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