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Wie man sie zum Schweigen bringt

Wie man sie zum Schweigen bringt

Titel: Wie man sie zum Schweigen bringt
Autoren: Leena Lehtolainen
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Reporter nach den geheimen Verhandlungen fragte, gab Rahnasto zu, dass »diskrete« Verhandlungen geführt worden seien, aber zum Wohl und im Interesse aller Bürger: »Wir haben uns bemüht, die mit der kommunalen Beschlussfassung oft verbundenen Emotionen zu vermeiden und eine Flut von Einsprüchen, die jedes Projekt verzögern, zu verhindern. In unserer heutigen Welt sind schnelle Entschlüsse gefragt. Ich möchte betonen, dass wir das Natura-Gebiet nicht antasten, obwohl ich persönlich auf dem Standpunkt stehe, Stadt ist Stadt und Land ist Land. Gibt es denn in Kainuu und Lappland nicht genug unberührte Natur, auch für uns in Espoo? Mit dem Flugzeug ist man heute fast schneller dort oben, als wenn man mit dem Auto von Suvela nach Laajalahti fährt .  «
    Das Farbfoto zeigte Rahnasto mit selbstsicherem Lächeln in der Computerzentrale seiner Firma. Dem Reporter zufolge bestritt er jede Beteiligung an den Verbrechen, zu denen er vernommen worden war. Weder der Stadtdirektor noch die Vorsitzende der Stadtverwaltung war zu einem Interview bereit gewesen, doch zahlreiche andere Kommunalpolitiker, auch aus Rahnastos eigener Partei, übten heftige Kritik an seinem Vorgehen in der Laajalahti-Sache. Einige meinten, aufgrund der Verdachtsmomente gegen ihn müsse Rahnasto sofort sämtliche Ämter niederlegen.
    Mein Telefon lief nicht weniger heiß als Eila Honkavuoris. Die nächste Anruferin war Suvi Seppälä. Sie erkundigte sich aufgeregt, welche Entschädigungssumme sie von Rahnasto fordern könne und ob sie sich einen Rechtsanwalt nehmen solle.
    Kim Kajanus rief nicht an, sondern kam persönlich. Als ich nach unten ging, um ihn abzuholen, landete ich mitten im Medienzirkus. Reijo Rahnasto traf zur Vernehmung ein, verfolgt von einer Meute Pressefotografen. Eine Fernsehkamera zoomte auf sein Gesicht, auf dem ein gewollt unbekümmertes Lächeln festgefroren war. Rechtsanwalt Sammalkorpi umklammerte seine Aktentasche und blickte grimmig drein. Glaubte er an die Unschuld seines Klienten? Muukkonen, Taskinen und Kaartamo erwarteten Rahnasto im Gang, und Kim Kajanus, der an der Anmeldung gestanden hatte, versteckte sich hinter dem Maskottchen, dem riesigen Polyp, als spiele er in einer komischen Oper mit. Einige Streifenbeamte bemühten sich, die Fotografen hinauszuscheuchen. Ein bekannter Kriminalreporter bat mich um einen Kommentar, den ich ihm jedoch verweigerte.
    Kim Kajanus sah so schuldbewusst aus, als er sich aus seinem Versteck wagte, dass ich lachen musste.
    »Ich hätte das Signal für ›Gefahr vorüber‹ pfeifen sollen«, witzelte ich.
    »Ist sie denn vorbei? Steht es fest, dass Reijo Petri ermorden ließ? «
    »Zumindest wird seine Rolle jetzt ernsthaft untersucht«, sagte ich und öffnete die Tür zu unserem Gang. Im Sozialraum führten Puupponen und Wang ein lebhaftes Gespräch, ansonsten war es still. Es kam mir vor, als hielte das ganze Haus den Atem an, um zu hören, was in der obersten Etage gesagt wurde. Reijo Rahnasto genoss immer noch so viel Ansehen, dass er nicht in einen der normalen Vernehmungsräume geführt worden war.
    »Ich habe Eriikka gestern alles erzählt«, sagte Kim und ließ sich auf mein Sofa fallen. »Ich liebe sie wirklich, und ich mag nicht länger lügen. Allerdings weiß ich immer noch nicht, was ich bin, homo, hetero oder bi .  «
    »Ist denn das so wichtig? Muss man alles in Schubladen einordnen? «
    »Wahrscheinlich nicht. Keine Ahnung, wie es weitergeht. Eriikka ist natürlich ganz durcheinander, auch wegen ihrem Vater. Ihre schöne, simple Welt ist in Stücke gegangen. Ich glaub, sie wird mit mir Schluss machen. Es hat sie furchtbar verletzt, dass man ihr den wahren Grund für die Vernehmung verschwiegen hat .  «
    Er saß da, als wäre er bei seinem Kumpel zu Besuch, und mir kam der Verdacht, dass er zu mir gekommen war, weil seine Therapeutin keinen Termin frei hatte. Dennoch fühlte ich mich nicht ausgenutzt. Ich hätte Kim abwimmeln können, doch ich wollte ihm zuhören. Außerdem war er eine Augenweide. Ich bot ihm Salmiakdrops an. Wir aßen die Tüte leer und unterhielten uns über zwischenmenschliche Beziehungen und über Reijo Rahnasto. Kim wusste nichts, was für die Ermittlungen relevant war, doch das spielte eigentlich keine Rolle. Es war schön, einfach zu plaudern, statt eine Vernehmung zu führen.
    »Glaubst du, dass es viele Arten von Liebe gibt? Nicht nur die eine richtige, sondern mehrere? «, fragte er.
    »Schwer zu sagen«, antwortete ich und dachte
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